1881 Übung in der Ostsee

1. Im Mai 1881

Am 12. Mai 1881 wurde ich mit mehreren anderen vom "Mars" nach dem auf Rhede liegenden Panzerschiff "Friedrich Karl" kommandirt, man sagte mir, es wäre Mangel an Geschützführern. "Friedrich Karl" sollte im Verein mit den Panzern "Kronprinz" "Friedrich der Große" "Preußen" und dem Aviso "Grille" das diesjährige Uebungsgeschwader bilden. Der größte Theil der Mannschaften eines nur 5 Monate dauernden Übungsgeschwaders, sind Rekruten, auch lernt man sich in so kurzer Zeit nicht recht kennen. Ich bekam das 1.te acht cmtr. Stahlgeschütz, welches achter auf dem Oberdeck stand, als Führer, bei Segelexerzieren war ich Vorhandsgast am Fockmast, d.h. ich hatte ein Theil laufendes Tauwerks an Deck in Ordnung zu halten, klar zum fieren, zu holen oder zu belegen. "Friedrich Karl" war Admiralschiff, der kommandirende Geschwader Chef, Kaptän z. See von Wickede, welcher bei Beendigung zum Admiral befördert wurde. "Friedrich Karl" hatte Barktakelage, d. h. er hatte Raaen nur im Vor und Großmast, der dritte Mast heißt Besahnmast (kleine Raaen) und führt nur den Besahn und Gaffelsegel. In der Batterie standen auf jeder Seite acht 21 cmtr. auf dem Oberdeck je ein Bug und Heckgeschütz, gleichen Kalibers, auf dem Achterdeck vier 8 cmtr. Stahlgeschütze und zwei acht cmtr. Boots und Landungs- geschütze, letztere Rohre sind von Bronze. Am 13. Mai Morgens 8 Uhr Anker auf und rund Jütland nach Kiel, wo wir am 15. Mai Morgens anlangten und an der Boje festmachten. Als sich alle fünf Schiffe in Kiel vesammelt hatten, wurde das Geschwader in Dienst gestellt, d. h. der Geschwader-Chef heißt seine Dienstflagge und zwar auf dem "Friedrich Karl", wir bekamen den Stab und eine Musikkapelle an Bord. Der Kaptän des Schiffes war Kaptän z. See von Paschen, der erste Offizier war Korvettenkaptän von Reiche. Die Tageszeitungen wurden mit allen üblichen Exerzitien ausgefüllt um die Rekruten damit bekannt zu machen. Trotzdem wir meist in heimatlichen Häfen lagen, gab es nicht alle Tage frischen Proviant, es gab auch oft Schiffszwieback und Salzfleisch. Zwischendurch wurden kleinere Touren nach der Strander Bucht und nach Eckernförde gemacht, wobei der Geschwader Chef mit den Schiffen selbst mannövrirte.

2. Im Juni 1881

Am 7. Juni wurde in Kiel von sämmtlichen Schiffen Kohlen eingenommen und am 8. Juni dampfte das Geschwader in See. Die Segel werden auf Panzerschiffen zum fahren fast gar nicht benutzt, da die Schiffe zu schwer und zu tief gehen. Die Takelage ist mehr zum Staat und zum Segelexerziren da, nur im äußersten Nothfall ein Behelf. Die Schiffsschrauben sind vierflüglich und können nicht, wie bei den Kreuzern gelüftet werden. Bei "klar Schiff" wird die Takelage erheblich verkürzt, d. h. Stengen und Raaen wurden theilweise an Deck genommen. Am 8. Juni Abends um 7 Uhr gingen wir an der schleswigschen Küste vor Anker. Am 9. Juni Morgens 8Uhr Anker auf und Abends 6 Uhr bei Saßnitz auf Rügen zu Anker. Am 11. Juni Anker auf und in See. Am 12. Juni Abends 7 Uhr bei Danzig vor Anker. Am 13. Juni Mittags 5 Uhr Anker auf und bei dem nicht weit von Danzig entfernten Fischerdorfe Gdingen zu Anker. In den nun folgenden Tagen wurden hauptsächlich Landungs-Manöver geübt, welche stets von einem zirka 1000 Mannstarken Landungskorps in 32 Booten und 8 Landungsgeschützen (acht Centimeter) ausgeführt wurden. Diese Mannöver nehmen stets den ganzen Vormittag in Anspruch und geht es ohne naße Beine nicht ab, da der Strand flach und die Boote nicht hoch genug kommen können, so daß man bis an den Unterleib ins Wasser springen muß. Nach Schluß der Landung Parademarsch vor dem Geschwader-Chef.

3. Im Juli 1881

Am 8. Juli Morgens 10 Uhr bei Saßnitz zu Anker. Nachmittags kam Seine königl. Hoheit Prinz Friedrich Karl an Bord des Flaggschiffs, dieses zu besichtigen. Darauf folgte ein Wettrudern sämmtlicher Boote des Geschwaders. Die Besatzungen der besten Boote erhielten kleinere Geschenke vom Prinzen als Belohnung. Den größten Spaß machte ein Wettrudern in leeren Fleischfässern, woran sich ein paar Dutzend Matrosen betheiligten. In je einem Faß sitzt ein Mann, und will mit zwei kurzen Paddelrudem das Faß vorwärts treiben, aber meistens geht es rund herum oder kippt um, es können sich nur gute Schwimmer dazu hergeben, ein Begleitboot fischt sie dann auf. Hier will ich noch bemerken, daß sich seit dem Unglück mit dem großen Kurfürst, wo es sich zeigte, daß ein großer Theil der Mannschaft nicht schwimmen konnte, in der Marine Schwimmkurse eingeführt wurden. Abends 10 Uhr lichtete das Geschwader die Anker und dampft in See. Am 11. Juli Morgens Uhr waren wir wieder in Kiel. Am 14. Juli Mittags 2 Uhr kam das englische Kanalgeschwader, Flaggschiff Herkules mit noch sieben Schiffen in den Hafen. Am 15. Juli kam Prinz Wilhelm und Prinz Heinrich zu einem Besuch an Bord des "Friedrich Karl". Am 18. Juli Morgens 10 Uhr dampfte das englische und deutsche Geschwader in See, ersteres nach der Nordsee, während das Deutsche am 19. Juli Mittags 12 Uhr bei Neustadt zu Anker ging. Hier wurden allerlei Landungsmannöver abgehalten. Am 27. Juli Anker auf und in See. Es wurden allerlei Schiffsmannöver abgehalten, indem allerlei Bewegungen ausgeführt wurden, welche in einem Gefechtsfall vorkommen können. Diese Mannöver erfordern die größte Aufmerksamkeit für Kaptäne, Offiziere, Maschinisten, Rudergänger und Signalgästen, da diesen Mannövern ein markirter Feind zu Grunde liegt. Am 29. Juli Geschützschießen nach schwimmenden Scheiben und Abends bei Kiel zu Anker.

4. Im August 1881

Am 2. August Anker auf und rund Jütland in die Nordsee. Am 6. August starker Nebel, das Geschwader dampfte nur halbe Fahrt, 6 bis 7 Seemeilen die Stunde und in Kiellinie, d. h. ein Schiff hinter dem anderen "Friedrich Karl" an der Spitze. Um die nöthigen Abstände zu wahren, schleppte ein jedes ein kleines Floß, auf welchem sich ein Gerüst mit einer Glocke befand, hinter sich her, diesem mußte der Ausguck auf der Bark des folgenden Schiffes seine Aufmerksamkeit zuwenden, auch die Dampfpfeife trat in Dienst und ließ ihre Töne erschallen. Am 7. August wieder helles Wetter. Am 8. August ankern bei Wilhelmshafen. Den 10. August Mittags 12 Uhr Anker auf und um 4 Uhr zu Anker auf Schillingrhede. Den 11. August Morgens 9 Uhr in See und Abends 6 Uhr bei Cuxhafen zu Anker. Wenn wir in Fahrt waren gab es meistentheils Mannöver mit den Schiffen, während die Besatzungen
ihren gewöhnlichen Schiffsdienst verrichteten. Am 13.August Morgens 3 Uhr Anker auf, rund Jütland nach der Ostsee. Kaiser Wilhelmskanal existirte noch nicht. Am 17. August Morgens 10 Uhr ankern bei Eckernförde. Am 18. August daselbst Landungs-Mannöver. Am 19. August Morgens 7 Uhr von Eckernförde nach Kiel, 24. August Inspizirung durch den Chef der Admiralität, Sr. Exz. Herrn Admiral von Stosch. Am 29. August Morgens 5 Uhr Anker lichten und in See. Geschützschießen nach schwimmenden Scheiben und Abends 7 Uhr in der Strander Bucht zu Anker. In der Nacht vom 30. zum 31. August wurde ein Angriffs und Abwehr-Mannöver von Torpedo Booten geübt, was der damaligen Zeit entsprechend war. Man hatte wohl Torpedos, aber keine Torpedoboote im heutigen Sinne. Die Panzer führten Torpedos an Bord und als Torpedoboot fungirte die Dampfpinaß. Ein Gestell mit 2 durchbrochenen Rohren wurde auf der Pinaß befestigt, so daß an jeder Seite ein Rohr außenbords sich befand.In jedem Rohr steckte ein Torpedo, welcher, wenn nahe am feindlichen Schiff, durch Federkraft aus dem Rohr ins Wasser geschoben wurde, wobei durch Auslösen eines Stiftes seine eigene Mechanik in Gang gebracht wurde, es war ein primitives Verfahren gegen heute und die Pinaß mußte ziemlich nahe an den Gegner heranfahren um einen sicheren Schuß zu thun. Die 4 Pinaßen des Geschwaders entfernten sich im Laufe des Nachmittags aus unserm Gesichtskreise um während der Nacht das Geschwader anzugreifen. Besondere Schutzvorrichtungen als Netze und dergleichen kannten wir noch nicht. Sobald es dunkel wurde, mußten sämmtliche kleinere Boote, gleich einer Vorpostenkette rund um das Geschwader auf Wache liegen. An Bord standen Mannschaften an den 8 cmtr. Geschützen klar zum feuern und die elektrischen Scheinwerfer suchten die Wasserfläche ab. Die eine Wache bekam Hängematten um dann, wenn erforderlich abzulösen. Jedoch kurz vor 11 Uhr erfolgte der Angriff, die vier Pinaßen dampften voll Dampf durch das Geschwader und ließen als Zeichen Leuchtkugeln steigen, dieselben waren doch unbemerkt durch die Vorpostenboote gekommen. Von den Panzern erfolgte ein starkes Geschütz und Gewehrfeuer, das Mannöver war zu Ende.

5. Im September 1881

Am 1. Septbr. Morgens 8 Uhr dampften wir nach Eckernförde. Beim Abendmannöver fiel der Matrose Nikolaisen aus der Oberbramsaling an Deck, sein Tod erfolgte sofort, da er auf den Kopf fiel. Am 3. Septbr. dampften wir nach Kiel zurück. Am 4. Septbr. Anker auf und in See. Am 6. Septbr. bei Neufahrwasser Abends zu Anker. Am 8. Septbr. Morgens 9 Uhr Anker auf und in See, woselbst eine abermalige Inspizirung vor dem Chef der Admiralität stattfand. Mittags 12 Uhr wieder bei Neufahrwasser zu Anker. Am 9. Septbr. kam die deutsche und russische Jacht mit ihren Majestäten an Bord, auf der Rhede zu Anker. Es fand eine Begrüßung der beiden Kaiser statt. Sämmtliche Schiffe schössen je 33 Schuß Salut, hatten über alle Toppen geflaggt und die Mannschaften paradirten auf den Raaen. Am 10. Septbr. Morgens ging die russische Jacht mit ihrem Kaiser an Bord in See, wobei das Geschwader wieder Salut schoß und paradirte. Mittags 12 Uhr lichtete das Geschwader die Anker und ging in See, am 12. Septbr. Abends 6 Uhr in Kiel zu Anker. Am 14. Septbr. nach der Strander Bucht, hatten daselbst ein Landungs-Mannöver und kehrten Nachmittags 4 Uhr nach Kiel zurück. Am 16. Septbr. kam die Jacht Hohenzollern, mit dem Kaiser an Bord in den Kieler Hafen, es wurde Salut geschossen und paradirt (d.h. die betreffenden Raagasten stehen auf ihren Raaen.) Am Abend war großes Dinner im Garten Bellevue, woran der Kaiser und sonstige hohe Herrschaften mit ihren Damen sich versammelt hatten. Gegen 10 Uhr wurde im Hafen ein großes Feuerwerk abgebrannt, welches auf einer Anzahl Leichter (große Kähne) aufgebaut war. Auf den Schiffen des Geschwaders standen rund der Reeling Mannschaften mit Signallichtem, welche abwechselnd einen roth, weiß und grünen Kranz um das Schiff bildeten, während auf den Raanacken (Enden) je ein Mann mit einem Fackelfeuer saß. Das Feuerwerk wurde durch ein Signal von Land in Szene gesetzt, eben war der Hafen noch dunkel, als derselbe plötzliche in Helligkeit strahlte. Da der Garten Bellevue nahe am Strande und hoch liegt, war es von da oben ein prachtvoller Anblick für die zahlreichen Herrschaften. Aber auch ich hatte Glück es zu schauen, denn ein Feuerwerksmaat und meine Wenigkeit waren kommandirt worden, das Signal dazu zu geben, in dem der Geschwader Chef uns mit nach dem Garten nahm, wo wir nach der Hafenseite zu postirt wurden, um auf Befehl das Signal, ein Fackelfeuer, zu geben. Am 17. Septbr. fand ein großes Landungsmannöver vor Sr. Maj. dem Kaiser statt.Es wurde angenommen, daß das Geschwader den Eingang zum Kieler Hafen erzwingen sollte, nun liegen aber vor dem Hafen die starken Forts Falkenstein und Stosch sowie mehrere Strandbatterien, dieselben mußten erst vom Geschwader unschädlich respektive erobert werden. Morgens 6 Uhr lichtete das Geschwader die Anker und blieb außerhalb des Hafens liegen, die Jacht Hohenzollem erwartend. Um 10 Uhr kam dieselbe an, Sr. Maj. den Kaiser mit großen Gefolge, darunter Sr. Exz. Feldmarschall Graf Moltke, an Bord. Das Geschwader salutirte und paradirte. Die Hohenzollern  fuhr nahe unter Fort Falkenstein und blieb daselbst liegen. Auf dem Geschwader wurde Generalmarsch geschlagen. Jeder eilte auf seinen Posten, während die Panzer ihre Stellungen mit langsamer Fahrt gegen die Forts einnahmen.An Bord der Schiffe sowie von Land setzte ein starkes Geschützfeuer ein, welches wohl eine halbe Stunde dauerte, nach welcher Zeit von Forts und Batterien nur noch ein schwaches Feuern erwiedert wurde, als Zeichen daß dieselben stark gelitten hatten, nur Fort Falkenstein war noch lebhaft im Gange und das Geschwader dampfte so nahe als möglich heran, um unter dem Feuer der Schiffe, die Landungskorps zu landen und das Fort im Sturm zu nehmen. Das Signal "Boote armiren" wurde gegeben, sämmtliche Boote kamen zu Wasser, wurden bemannt und ruderten so schnell als möglich dem Strande zu. Jedoch am Strand hinter Buschwerk und sonst gut gedeckt, lag Infanterie und gab als wir in Schußnähe kamen volle Salven auf uns ab. Jetzt traten unsere acht Boots und Landungsgeschütze in Aktion und vertrieb die lnfantrie durch starkes Granatfeuer aus ihren Stellungen. Unter diesem Feuer landeten wir. Die Rohre der Bootsgeschütze wurden auf die Landungslafetten montirt, ähnlich der Feldartilterie, aber von 12 Mann gezogen und bedient. An Land entwickelte sich der Kampf, wie das Landheer ihre Mannöver abhält. Während der Zeit wo die Landung stattfand, beschossen die Panzer Fort Falkenstein. Die Infantrie wurde gegen das Fort gedrängt und wir formirten Sturmkolonnen und nahmen das Fort, d.h. wir kamen nur bis an den Fuß desselben, das "Ganze Halt" wurde geblasen und wir marschierten zu unseren Booten zurück, welche uns wieder an Bord brachten. Ohne einen naßen Unterkörper geht so ein Landen nicht ab, denn sobald das Boot auf Grund stößt, springt ein Jeder, das Gewehr hochhaltend ins Wasser und watet an Land. Ein unzähliges Publikum hatte sich eingefunden um diesem Mannöver zuzusehen. Als die Mannschaften eingeschifft waren, dampfte das Geschwader nach Kiel, wo wir Mittags 4 Uhr anlangten. Kurze Zeit danach kam auch die "Hohenzollern" in Hafen, welche erst einem Torpedoschießen beigewohnt hatte. Das Geschwader salutirte und paradirte. Am 18. Septbr. Morgens 11 Uhr wurde das Geschwader von dem zum Kontre-Admiral ernannten Geschwader Chef von Wickede, aufgelößt, bei welcher Gelegenheit der Mannschaft die Mittheilung wurde daß Sr. Exz. Graf Moltke sich lobend über das stattgehabte Mannöver ausgesprochen hatte. Am 19. Septr. lichtete "Friedrich Karl" seinen Anker um nach seinen Garnisonsort Wilhelmshafen zurück zu kehren, woselbst wir am 22. Septbr. Abends 5 Uhr anlangten. Am 23. Septbr. Kohlen und Munition abgeben und nach der Werft verholen. Das Schiff wurde abgetakelt und Inventar und Takelage in ihre Lagerräume gebracht. Am 30. Septbr. stellten wir "Friedrich Karl" außer Dienst, durch Niederholen von Flagge und Wimpel und einem dreifachen Hurrah auf den obersten Kriegsherrn. Die Mannschaft kehrte in die Kasernen zurück. In der nun folgenden Zeit der übliche Dienst an Land.

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