23. Segelexerzieren

Ich komme nun auf einen Anlaß zurück der uns Vormarsraagäste in Konflickt mit unserm Kaptän gebracht hatte, als wir noch in Apia lagen. Wer damals bei der Marine gedient hat, wird wissen, daß Marsraagäste nichts zu lachen hatten, wenn Marssegel reefen oder zu wechseln war, und das wurde meist mastweise gemacht, um zu sehen welcher Mast der schnellste ist, und da kommt es hauptsächlich auf die Marsraagäste an, wie die zusammen auf der Raa arbeiten und gute Lunge und flinke Beine zum entern (nach oben gehen) besitzen, denn kein anderer Raagast hat so viel nach oben zu gehen als der von der Marsraa. Bisher war stets der Fockmast der erste gewesen und wir Vormarsraagäste, wozu ich ja mit gehörte, arbeiteten gut zusammen. Das erkannte unser Kaptän dadurch an, daß die Fockmastdivivsion nach Beendigung des Mannövers, öfter einen Extraschnaps bekamen, während Groß und Kreuztopp das Exerzitium noch einmal machen mußte. Deswegen herrschte aber kein Neid vor und trübte auch nicht die Kameradschaftlichkeit der Besatzung, denn wir hatten da unsere eigene Ansicht, wie z.B. auch vieles Kommandieren auch schaden kann. Nun hatten wir Vormarsraagäste, als wir noch in Apia lagen, sich mit unsern beiden Vortopps-Unteroffizieren dahin verständigt, daß wir ab und zu läßig sein wollten um den ändern beiden Toppen Gelegenheit zu geben, die ersten zu sein und einen Extraschnaps zu erhalten. Es wurde dies zur stillschweigenden Vereinbarung unter der Mannschaft und es ging eine Zeit lang gut, bis unser Kaptän dahinter kam, daß hier Komödie gespielt wurde, damit jede Mastdivision zu einem Extraschnaps der Reihe nach kam. Es war am Abend des 6. Febr. als wir den Großtopp als ersten gelten ließen. Nach Beendigung des Segelexerzierens, wurde die Fockmastdivision aufs Achterdeck beordert und unser Kaptän hielt einen kleinen Vortrag in folgendem Sinne: Er hätte sich immer gefreut, daß der Vortopp der schnellste gewesen wäre, aber seit einiger Zeit hätte er bemerkt daß da eine Wandlung vorgegangen sei, er wolle nicht grade sagen, wir wären faul, aber für diesen Spaß sollten wir in Sydney keinen Landurlaub haben. Das hatten wir also für unsere Gutmütigkeit, ließen aber den Humor nicht sinken. Auf dem Vordeck gab es nun eifrige Berathungen mit den Leuten aus Groß und Kreuzmast, wie diese Strafe sich abwenden ließe. Auf alle Fälle mußten wir im Vortopp wieder die ersten sein und bleiben, was auch geschah. Aber unser Kaptän ließ sich nichts merken, es gab auch keinen Schnaps mehr. Da wurde uns gesagt, daß ein paar Tage vor Sidney (ich habe den Datum nicht mehr, da im Lauf der Jahre mehrere Notizen verloren gingen) der Kaptän seinen Geburtstag habe und auch feiern wolle. Da kam für uns die Frage, wie können wir diese Gelegenheit ausnutzen, und das Resultat war dieses: Unser Berliner und Hamburger Witzbold welche auch Vormarsraagäste waren, machten ein Gedicht in Knittelreimen über Segelmannövriren der drei Toppen, vom Verwalter erhielten wir eine weißblechne Kiste 1 Mtr. hoch 50 x 50 cmtr. Quadrat, in jede Seite wurde eine große Krone eingeschnitten und mit bunten Papier verklebt, auf dem Boden ein Brett mit Löcher für Kerzen. Am Abende, wir hatten schönes Wetter, da der Geburtstag war, saß der Kaptän mit den Offizieren an einer Tafel auf dem Achterdeck, die Mannschaft hatte Grog bekommen. Alles war in guter Stimmung. Um 9 Uhr gingen der Hamburger und Berliner nach achtern und trugen an, ob es genehm wäre, so einiges vorzutragen, was auch bewilligt wurde. Als sie einiger ihrer heimatlichen Schnurren vorgetragen hatten, trugen sie folgendes vor:

"Op so een Kriegsschipp geit het dösig her
Dor hett ein Jeder siehn Staschion und sien Gewehr
Op dett wenn het Mannöver heet
Mann hengohn deit un stille steht.
Doch fangt dat Seilsexzieren an
Dann ragt man sick mit "Alle Mann"
Man rennt denn her und man rennt hin
Denn jeder Topp wull erster sien.
Nun schullt man meen, von alle dree
Die Krüztopp mußt die erste sien
Denn Seils sind lütt und Raa's sind fien
Un bi de Division Grotmast
Ok hier will hat nicht klappen
De Eene segt, et ligt an fieren
De Andere: an'd Kummandieren
Ich ober nehm keen Blatt vor'd Muul
Ich segg free rut: de Oest sind fuul.
Dor kumm man bi den Fockmast an
De Kerls könnt exerzieren
De riet und juhlt mit alle Mann
Ennt dot sick bannig rögen
Kieck mal den Vormarsraagast an
Wenn de nor boben geiht
Geiht? he flucht man so dors Want
Denn nimmt hei fort's die Stellung in
Tom Marsseil wissein und reefen
Un immer sinn de ersten sin
Da schull ju stets beleven
Darum von alle dree Division
Trägt de Fockmast die Krön!"

Bei den letzten Worten wiesen die beiden mit erhobenen Arm nach vorn, wo in denselben Moment die Laternen mit den Kronen an der Vorgaffel hochgezogen wurde. Kaptän und Offiziere kamen, sich dieselbe zu besehen. Als die beiden Vortäger, jeder mit einer Flasche Wein in der Hand, nach vorne kamen, brachten sie die Nachricht mit, daß der Kaptän ihnen aufgetragen hätte, der Fockmastdivision zu melden, daß es in Sidney Urlaub giebt, welcher Freude wir mit lautem Hurrah kund gaben. Wir Vormarsraagäste bekamen von dem Tage ab den Spitznamen "Fliegende Vormarsraagäste".

24. Urlaub an Land

In Sidney gab es alle Tag Urlaub an Land, und Sonntags stellten sich stets eine große Anzahl deutscher Familien zu Besuch ein. Vom 8.-13. März lagen wir im Tockendock um das Schiff außenbords zur reinigen. Am 15. März Kohlen, am 16. März Proviant übernehmen. Am 22. März Kaisers Geburtstag in üblicher Weise gefeiert. Auch hatten wir Gewehrschießen auf einem Militär Schießplatz. Einen Vorfall will ich noch erwähnen welcher in der Liegezeit hier passierte. Ein Matrose, welcher wegen häufiger Urlaubsüberschreitung, keinen Urlaub an Land bekam, verstand es eines Sonntag Mittags sich mit den ändern Urlaubern von Bord zu schmuggeln, was fast unmöglich ist, denn der Bordfeldwebel steht am Fallrepp und da kann nur immer ein Mann durchgehen und ins Boot. Der Betreffende hatte aber vorher gesagt, das wolle er doch mal probieren und wir standen mit einer Anzahl dabei, wie er es fertig brachte. Als die Urlauber von Bord gingen, trat er dazwischen und war übers Fallrepp, ohne daß es der Feldwebel merkte, er wurde später damit gehänselt "him hat de Sunn i den Oogen pliert". Nach einer guten Stunde kam der Mann mit einem Privatboot längsseit und meldete sich vom Urlaub zurück und da kann man sich das Erstaunen unsers Feldwebels und der Vorgesetzten denken; als sie erfuhren daß er es nur aus Unfug gethan hatte. Er erhielt ein paar Tage Arrest und wurde an Urlaubstagen an die Kanone mit der Kette am Fuß, angeschlossen. Der Feldwebel bekam auch sein Theil und waren die Beiden keine guten Freunde mehr. Hier will ich noch beifügen, daß es Brauch war, kamen Urlauber betrunken an Bord zurück, dieselben keine Hängematte erhielten. Mittschiffs wurde eine große Persennig (großes Segeltuch) ausgebreitet, auf der Hälfte kamen sie zu liegen, mit der ändern Hälfte zugedeckt. Wenn dann Morgens Reveille geschlagen wurde und welche noch nicht ausgeschlafen hatten, wurde mit dem Schlauch der Dampfpumpe geweckt und in die Wirklichkeit zurück gerufen, was stets ergöztlich anzusehen war.

25. Känguruh und Dingo

In den letzten Tagen vor unserer Abreise bekamen wir zwei Känguruhs, 1 jungen Dingo und mehrere kleiner Tiere in Käfigen an Bord, um sie mit nach Europa zu nehmen. Später auf See liefen Känguruhs und Dingo frei an Deck herum, ein Känguruh sprang eines Tages über Bord, konnte aber sehr gut schwimmen, ein Boot wurde zu Wasser gelassen und brachte es wieder an Bord und kamen nun in einen Käfig. Der Dingo war noch jung und spielerisch, ist von rothbrauner Farbe, eine Art wildlebender australischer Hund, lagen wir in der Freizeit an Deck zu schlafen, so war es sein größtes Vergnügen, wenn er konnte eine Mütze erhäschen und zerreißen, er ist aber nach etlichen Wochen gestorben, man meint, daß ihm das Blut fehlte, was er ja in seiner Freiheit gehabt hatte, wo er nur auf Fleisch und Bluth angewiesen war. Er hatte die Größe eines Mittleren Schäferhundes, war auch nicht bissig gegen uns, aber er verübte eine Untath, indem er eines Nachts in die zwischen den großen Booten befindlichen Ställe einbrach in welchen sich Hühner und zwei Schafe befanden, welcher er totbiß und das Blut saugte. Er wurde dann nachts stets angeschlossen.

26. Treffen mit dem Bruder in Christchurch

Am 3. April 1880 Mittags 2 Uhr Anker lichten und in See. Am 9. April wurde abermals die nördlichste Spitze Neuseelands passiert, am 10. April ankerten wir im Hafen von Aukland. Sidney bis Aukland 1260 Seemeilen. Hier etwas ganz persönliches. Seit 1873 wohnte ein Bruder von mir als Ansiedler in Christchurch (Kristuskirche) auf der südlichen Insel Neuseelands. Mein Brief an denselben hatte stets unser Adjutant besorgt, da er ja mit anderer Post ging, als die Heimathbriefe. Zwei Tage nach unserer Ankunft theilte mir der Adjudant mit, daß wir in den nächsten Tagen nach Christchurch gingen um daselbst Kohlen einzunehmen, ich sollte sofort einen Brief schreiben, damit mein Bruder bescheid wisse. Diesen Brief hat mein Bruder auch erhalten und da er nicht direkt in der Stadt, sondern außerhalb wohnte, hatte er sich mit einem Geschäftsfreund in der Stadt in Verbindung gesetzt, welcher ihn sofort benachrichtigen sollte, wenn ein deutsches Kriegsschiff in Hafen käme. Aber leider kam es anders, in Aukland ist Kabelverbindung mit Sidney und wie mir der Adjudant mittheilte war Order gekommen, sofort nach Walparaiso zu fahren. Wir nahmen hier Kohlen und 24. April in See. Meine Freude war zu Wasser geworden. Ende September als wir in Plymouth England lagen, erhielt ich einen Brief von meinem Burder worin er mir mittheilte daß 10 Tage nach Empfang meines Briefes er Nachricht erhalten hätte, daß ein Kriegsschiff eingelaufen sei, er sofort mit seiner Familie nach Christchurch gekommen sei und da habe es sich herausgestellt, daß es ein Engländer war. Er hatte sich so sehr gefreut auf ein Wiedersehen und gedacht, wir würden noch kommen, bis er ein paar Tage später von mir den zweiten Brief erhielt, wo ich ihm mittheilte, daß wir nach Südamerika gingen. Ich habe meinen Bruder nicht mehr wieder gesehen.

27. Allerlei Vergnügliches

Von Aukland bis Valpareiso 5380 Seemeilen. Während dieser Reise hatten wir meist günstige südwestliche Winde, manche Tage stark boeig, so daß es viel mit Segel bergen und setzen zu thun gab, denn die meiste Zeit führten wir Segel. An einem Sonntag, wir hatten wieder recht böiges Wetter , und es war "Alle Mann Mittag" gepfiffen; es gab "Plumen und Klüten" und waren eben dabei dieselben zu verzehren, als die Backbordwache, zu der ich gehörte, an Deck gerufen um Bramsegel zu bergen, aber was nun, Schlingerleisten gab es an den Tischen nicht, den Eßnapf hinsetzen, er wäre vom Tisch auf Deck gerutscht, denn das Schiff schlingerte stark und da versuchte ein Jeder, so schnell wie möglich das Essen runterzuschlingen. Da wir also nicht gleich raufgingen, kam unser Feuerwerker und schimpfte: Verfluchte Bande! Wollt ihr wohl an Deck gehen. Zur Antwort wurde ihm ein Hurrah zugerufen. Dieses erregte den Feuerwerker derart, daß er dem zunächst stehenden Matrosen, den Napf aus der Hand riß und ins Gesicht stülpte. Dieses gab das Signal, daß alle in der Nähe sitzenden Leute unter Hurrah rufen ihre Näpfe mit Inhalt nach ihm warten, so daß er referierte, es war jedoch ein Theil der Wache nach oben gegangen, so daß weiter kein Schaden geschah. Der Kaptän, welcher davon gehört hatte, ließ die Backbordwache nach achter kommen, er gab eine Strafrede, und da ja auch das Batteriedeck beschmutzt worden war, mußte die Backbordwache zur Strafe 6 Tage lang jeden Abend während der Freizeit das Deck eine Stunde mit Sand und Steine scheuern; was aber den Humor keinen Abbruch that. Dann gab es noch ein kleines Ereigniß, was viel belacht wurde. Wir von der B. B. Wache hatten eines Tages von 8 - 12 Uhr Abendwache, da es regnete ließ der wachhabende Offizier uns in die Batterie gehen, wo wir uns längst der Maschinen-Wand an Deck legten in langer Reihe. Nun war unser Leutnant Hoffmann, genannt Quatsch, gegen 10 Uhr noch einmal nach der Offizierstoilette, welche sich vorn im Schiff befand, gegangen und kam auf dem Rückwege an der Seite lang, wo wir lagen, wovon er keine Ahnung hatte, da er auf dem Hinwege an der ändern Seite gegangen war. In der Batterie ist es ziemlich düster, da des Nachts nur wenige Laternen brennen. Wie der Offizier bei dem ersten von uns anlangte, stolperte er und fiel längelang auf die Daliegenden. Da er anfing zu schimpfen, erkannte man ihn und bekam zur Antwort, "Ach was Quatsch" sein Lieblingswort. Mit diesem Stichwort wurde er der Länge nach über die ganze Reihe geschoben, ab und zu einen Schlag vor's Achtertheil zu bekommen. Wir haben nichts gehört, daß davon Meldung gemacht worden wäre, er war auch nicht besonders beliebt. Auch folgender Vorfall passierte auf dieser Reise. Wir hatten Dampf auf und Segel fest, da der Wind immer hin und her ging und nicht in unserm Kurse wehte auch regnete es. Die Steuerbordwache hatte von 8 - 12 Abendwache, Wachtoffizier Leutnant Voß. Dieser ließ sich verleiten zweimal Segel zu setzen, mußte dieselben jedoch wieder wegnehmen, weil der Wind nicht beständig aus einer Richtung blieb. Die Segel waren patschnaß und erfordertes eine gewiße Zeit mehr, wenn es nur mit der Wache geschieht. Die Leute waren aber auch ungemüthlich geworden, was sich wohl denken läßt, die ganzen vier Stunden im Regen im Gang zu sein. Wie nun das zweite mal, es war noch 11 Uhr die Segel wieder fest gemacht werden sollten, dauerte es unserem Offizier zu lange, er ließ die Wache achter raus kommen, sprach zu ihnen von "Faule Bande" und warf mit allerlei Kosenamen um sich. Auf jedes dieser Blüthen, rief ihm die Wache ein Hurrah zu, was den Offizier so erregte, daß er ihnen zurief, er wünschte, die gute, alte Zeit wäre noch, da ließ er sie zur Strafe auf den Nocken (Enden) der Raaen festbinden; was Ihm ein doppeltes Hurrah erbrachte. Durch den Lärm war der Kaptän erwacht, war an Deck gekommen und hatte das Ende mitangehört. Mittlerweile war es 12 Uhr geworden, wir von der B. B. Wache kamen an Deck und mit "Alle Mann" wurden die Segel festgemacht. Der St. B. Wache ist nichts gesagt worden, aber dem Leutnant soll der Kaptän seine Meinung gesagt haben.

28. Salpeterkrieg in Chile, danach heimwärts

Am 2. Juni Abends 8 Uhr lichteten wir Anker und dampften der Küste entlang nach Norden. Am 9. Juni Morgens 10 1/2 Uhr ankern bei lquika von wo ein großer Handel mit Salpeter stattfindet. Von Valparaiso bis lquika 765 Seemeilen. Der ganze Strich dieser Küste besteht aus hohen Bergen von gelbbrauner Farbe. Kein Gras, kein Baum wächst daselbst, auch Frischwasser giebt es nicht, es wird in großen Kondensern hergestellt. Im Hafen sowie in der Nähe nach See zu, sahen wir viele Seelöwen, welche Jagd auf Heringe machten, deren es zur Zeit eine Menge hier gab. Noch den selben Abend wieder Anker auf und in See. Am 10. Juni Morgens 9 Uhr ankerten wir bei der 110 Seemeilen von lquika entfernten Stadt Arika. Hier lag auch die deutsche Korvette "Hansa". Den Tag zuvor war Arika von den Chilenen von der See und Landseite aus bombardiert und erstürmt worden, denn noch herrschte Krieg zwischen Chile und Peru. Unser Sanitätspersonal von beiden Schiffen waren den ganzen Tag an Land um Hilfe zu leisten. Arika ist ein kleiner von Bergen umschlossener Platz, wir konnten aber von Bord aus sehen, daß es zur Zeit einen verwüsteten Anblick bot. Auch lagen ein paar chilenische Panzer hier. Am 11. Juni Abends 5 Uhr "Bismark und Hansa" Anker lichten, um am 12. Juni Morgens 10 Uhr bei lquika zu ankern. Am 15. Juni dampfte die Bismark in See, wir hatten den ganzen Tag Geschützschießen nach schwimmenden Scheiben, Abends vor lquika zu Anker. Am 26. Juni Abends 5 Uhr in See, während die Hansa hier liegen blieb. Während unseres Liegens vor lquika, hatten wir an Land längs des Strandes mehrmals Gewehrschießen. Das eine mal war just einsetzende Fluth und mit dieser kam ein großer Heringsschwarm, von Seelöwen verfolgt, bis an den Strand, wir krempelten unsere Hosen herauf und bis über die Knie im Wasser konnten wir die Fische mit den Händen greifen, es wimmelte um unsere Beine wie in einem Ameisenhaufen. Wir fingen in der Zeit von einer Viertelstunde beide Kutter

voll, welche dann an Bord von Alle Hände zurecht gemacht und geschmort wurden. Auch war hier kurz zuvor ein chilenisches Lager gewesen, welches wir durchstöberten, wir fanden deutsche Briefe, es waren also auch Deutsche im Dienst der Chilenen. Am 4. Juli Mittags 2 Uhr wurde bei Coquimbo, einem kleinen Küstenplatz zwischen lquika und Valparaiso geankert, wo sich eine kleine Werft befindet. Es kamen Schiffszimmerleute von Land um das Oberdeck zu kalfatern, d. h. die Plankennähte mit Werg dicht schlagen und mit Pech ausgießen. Hier lag auch die amerikanische Korvette "Wachusett." Den 10. Juli Abnds 5 Uhr verließen wir Coquimbo und kamen den 12. Juli Morgens 7 Uhr in Valparaiso zu Anker, wo selbst wir die "Hansa" wieder antrafen. Noch denselben Tag bekamen wir schweren Sturm von Norden, hohe Wellen wälzten sich in den Hafen herein. Da wir zu nahe unter Land lagen, gingen wir etwas weiter von Land ab mit 350 Mtr Ankerkette zu liegen die Maschine langsam laufen lassend, damit die Kette nicht das ganze zu tragen hatte. Da unser Schiff höher lag als die Hansa hatten wir keine Sturzseen zu befürchten, aber die Hansa, sowie mehrere tiefbeladene Handelschiffe bekamen schauderhaft viel Wasser über, was einen eigenartigen Anblick gewährt. Nur ein Fahrzeug ist an der linken Seite des Hafens gestrandet. Gegen Mittag den 13. Juli war das Wetter wieder normal. Am 15. Juli Vormittags Anker lichten um die Heimreise von hier aus anzutreten. Der 100 Mtr. lange Heimathswimpel wurde im Vortopp gehißt, er geht über alle drei Toppen weg, um am Heck mit einer Kugel beschwert, bis aufs Wasser zu liegen, auf See wird er nicht geführt. An diesem Heimathswimpel aus weißer Leinwand, näht jeder ein Stück an und wird von der Mannschaft bezahlt. Als wir den Anker hoch hatten, dampften wir an der Hansa langsam, nahe vorbei, mit dreimaligen gegenseitigen Hurrah Abschied nehmend und bei dieser Gelegenheit den Hansagästen, unsere, schon bereit gehaltenen alten Mützen, zuwerfend.

29. Kap Horn und zurück in Wilhelmshaven

Am 19. Juli Schraube hoch, Segel setzen. Der Kurs ging nach Süden, der Küste entlang. Am 26. Juli Dampf auf, Segel fest, wir befanden uns nahe unter Land, in der Nähe des Eingangs zur MagelhanStraße. Die hohen eisbedeckten Berge Feuerlands glitzerten in der Sonne, was einen prachtvollen Anblick gewährte. Als wir im Begriffwaren einzulaufen, erhob sich plötzlich ein so dichter Nebel, daß von Land nichts mehr zu sehen war, an ein einfahren war nicht zu denken und da der Nebel anhielt, aber günstiger Wind war, entschloß sich der Kaptän um Kap Hörn zu gehen. Segel wurden gesetzt, die Schraube gelüftet. Bei günstiger Brise erreichten wir am 29. Juli Morgens 10 Uhr Kap Hörn, die südlichste Spitze Amerikas. Es wurde für etliche Stunden Dampf aufgemacht und das Kap in beträchtlicher Nähe in Augenschein genommen, es ist ein grandioser Anblick, diese gefürchtete Stelle der Seefahrer. Unter Segel ging es weiter, bei steifer Brise. Am 3. August Mittags 12 Uhr ankerten wir bei der Insel Stanley, Falklandsinseln. Am 4. August etwas Kohlen eingenommen. Die Bewohner dieser Inseln leben meist von der Schafzucht, jedoch nur Wolle, Talg und Felle kommen in den Handel, eine Konservirung des Fleisches war noch nicht bekannt. Das Fleisch ist daher billig, es ist mir gesagt worden, der Hammel, ohne das vorher angeführte, koste nur ein Schilling, englisch Geld. Wir nahmen 50 geschlachtete Hammel mit und es gab etliche Tage Frischfleisch. Im Laufe des Nachmittags wieder in See. Feine Brise nach Norden zu. Am 5. August Nachmittags kam in unserm Kielwasser ein Segelschiff in Sicht, welches sich später als ein Vollschiff auswies. Es hatte alle Segel stehen, konnten aber bemerken, daß er schneller lief. Unser Kaptän, da günstiger Wind, ließ die Leesegel setzen und blieben wir in der Fahrt uns gleich. Gegen Abend um 6 Uhr wurde der Wind stärker. Als wir die Leesegel bergen wollten, brachen die Spieren und kamen von selbst herunter. Bram und Oberbramsegel wurden fest gemacht, auch das Vollschiff hatte die kleinen Segel fest gemacht. Nach 8 Uhr Abends, es war schon finster, als wir das zweite Reef ins Marssegel steckten, segelte das Vollschiff nahe an uns vorbei, Nationalität blieb unbekannt. Am 6. August Mittags 2 Uhr alle Segel fest bis auf Sturmsegel, denn ein Süd-West Sturm raste daher, da er jedoch günstig war, und dieselbe Stärke behielt, lenzten wir vor gereefter Fock und dichtgereeften Marssegel. Lenzen heißt: Vor dem Winde segeln, der Wind ist also direkt von hinten. Am 7. August, Wetter besser, alle Segel beigesetzt. Am 14. August Abends 7 Uhr Dampf auf, Segel fest, völlige Windstille. Am 20. August Mittags passierten wir die Martiniinseln, (Amerika). Es sind hohe

aus dem Wasser ragende Felsen, unbewohnt, aber von tausenden Seevögeln als Nistplatz gesucht. Wir feuerten einen blinden Schuß mit dem 8 cmtr. Geschütz und wie eine große schwarze Wolke erhoben sich die aufgeschreckten Vögel in die Luft. Am 28. August Abends 8 Uhr Aequator passirt, ohne Taufe. Von 18. August bis 2. Septbr. unter Segel, guter Wind und Wetter. Am 3. Sept. Nachts 12 Uhr Dampfauf, Segel fest. Am 5. Septbr. Mittags 3 Uhr ankern bei Porto Grande, Insel St. Vincent, Kapwerdische Inseln. Viel Spaß macht es, wenn ein Haufen Negerjungens in ihren Booten, das Schiff umschwärmten, warf man ein Geldstück zu Wasser, so sprangen sie hinterher und holten es sich. Am 6. Septbr. Kohlen einnehmen und Abends 8 Uhr wieder in See. Am 16. Septbr. die Azoren passirt. Am Abend des 24. Septbr. das weiß und rothe Leucht feuer der Wolfs-Rocks, Felsenriffe an den Südwest Ende Englands in Sicht, wir kamen nun in den engl. Kanal. Am 25. Septbr. Morgens 6 Uhr ankern im Hafen von Plymouth England. Valparaiso bis Plymouth um Kap Hörn 9800 Seemeilen, durch die Magelhaen-Straße 9100 Seemeilen. Am 26. Septbr. Kohlen einnehmen. Urlaub gab es aus gewißen Gründen nicht. Am 27. Septb. Abends 6 Uhr Anker auf und an der engl. Küste entlang, da günstiger Wind, Segel beigesetzt. Während des Nachts und am Morgen starken Nebel. Die Dampfpfeife wurde in Thätigkeit gesetzt, vermischt mit dem Pfeifen und Nebelhorntönen anderer Schiffe, was zu gutem Ausweichen und Aufpassen mahnt. Am 28. Septbr. Nachts 12 Uhr Dover passirt und am 30. Septbr. nachdem wir Vormittags den Lotsen erhielten, gingen wir Nachmittags 3 Uhr unter Segel auf der Rhede von Wilhelmshafen zu Anker. Am 2. Oktbr. hatten wir Inspizirung vor Sr. Exz. Herrn Admiral von Stosch. An dem selben Tage wurde ich zum Obermatrosen befördert. Am 3. Oktbr. holten wir in den Vorhafen, gaben am 4. Oktbr. unsere Munition ab und holten an die Kohlenschuppen. Am 5. Oktbr. die übrigen Kohlen ausgeladen und am 6. Oktbr. auf die Werft verholt. In den nächsten Tagen wurde der Bismark abgetakelt und alle Ausrüstungs-Gegenstände in die Lager-Schuppen gebracht. Am 14. Oktbr. Mittags 3 Uhr wurde durch Niederholen von Flagge und Wimpel und einem dreimaligen Hurrah auf den obersten Kriegsherrn S.M.S. Bismark außer Dienst gesellt. Die Mannschaft wurde ihren betreffenden Abtheilungen übergeben und kehrte in die Kasernen zurück, das Schiff verlassend, worauf wir in den zwei Jahren viel Freud und Leid erlebt hatten.

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