Untergang des SMS Großer Kufürst vor Dover

Zusammenstoß mit SMS König Wilhelm am 31. Mai 1878

1. Manöver "Klar Schiff", dann der Zusammenstoß

 

Am 29. Mai waren wir von Wilhelmshafen weg gefahren und befanden uns am 30. Mai (Himmelfahrtstag) bei prächtigem Wetter in der Nordsee, trotzdem mußten sehr viele der See ihren Tribut bezahlen, wovon ich jederzeit glücklich davon verschont geblieben bin.

Am Morgen des 31. Mai, einem Freitag, bekamen wir die englische Küste in Sicht und dampften an derselben bei Dover vorbei, bei schönem klaren Wetter und spiegelblanker See. Wir fuhren in Doppelkiellinie, der "Große Kurfürst" rechts vom "König Wilhelm", hinter uns die "Preußen". Die Morgenmusterung war beendet und es sollte heute zum ersten Mal das Manöver "Klar Schiff" zur Ausführung gelangen und so befanden wir uns meist Alle in der Batterie, um beim Signal unsere Geschütze klar zu machen.

Die Batterie oder Stückpforten standen beiderseits offen, so daß wir sehen konnten, daß der "Große Kurfürst" sich plötzlich ganz nahe bei uns befand. Ehe wir noch recht wußten, was los war, gab es einen Stoß, ein erschüttern des Schiffes und Krachen an Deck, der "Große Kurfürst", welcher an unserem Bug hatte vorüber fahren wollen, war dasselbe nicht gelungen, wir waren ihm mit unserem Rammsporn ins Achterschiff gelaufen und ein großes Loch gerissen. Wir sprangen Alle an Deck um zu sehen was los war und man konnte beobachten daß der Kurfürst sofort drehte, mit dem Bug nach der Küste, unter welcher wir uns nahe befanden, es war in der Nähe von Folkesstone; jedoch gute 2 - 3 Schiffslängen von uns ab, legte sich der Kurfürst nach Backbord, wo wir ihn gerammt hatten, plötzlich auf die Seite, man sah wie die Masse seiner Mannschaft, außbords am Rumpf ins Wasser rutschte, Mannschaften die sich noch unter Deck befanden, wie das Maschinen und Heizerpersonal sind mit in die Tiefe gegangen, dann versank das Schiff, dieses Drama hat von Anfang bis Ende höchstens 10 Minuten gedauert.

Diejenigen welche schwimmen konnten, versuchten nach uns zu kommen, da wir am nächsten lagen, gelang es auch vielen, aber wie viele sind von Nichtschwimmern in die Tiefe gezogen worden; die Boote des "Preußen" sowie viele englische Fischerleute haben Allerlei Leute gerettet; schreckliche Szenen spielten sich vor unseren Augen ab, so war ein Offizier, Graf Schwerin, schon nahe bei uns, als sich ermattete Leute an ihn anklammerten und wir konnten deutlich sehen, wie er mit 5 Mann in die Tiefe ging, ohne helfen zu können. Über 200 Mann haben hier ihren Tod gefunden, in Folkesstone ist ihnen ein Denkstein errichtet worden. Über die Ursache dieses Zusammenstoßes bin ich nicht ganz klar geworden, es wurde seinerzeit viel darüber geschrieben und erzählt und will ich meine Ansichten auch weiter nicht erörtern.

Preußen, Friedrich der Große und Falke, gingen mit dem geretteten Theil der Mannschaft nach Deutschland zurück. Auf den "König Wilhelm" dachte zuerst Niemand daran, daß auch wir schwer beschädigt sein konnten, als unser Vorschiff plötzlich zu sinken begann, uns war der Rammsporn abgerissen worden und hatten wir, wie sich später im Dock zeigte, am Bug von oben bis unten ein großes Loch, die beiden vorderen Komparts waren bis an das Batteriedeck voll Wasser gelaufen, wir hatten an uns selbst zu denken. Die großen Boote wurden zu Wasser gelassen, das große Foksegel an Deck geholt, an einem Ende mit Eisenstücke beschwert und mit Hilfe der Boote über den beschädigten Bug gezogen, wo es sich bei langsamer Fahrt des Schiffes andrückte und in etwas das Eindringen des Wassers hinderte, die Luken der beiden Komparts wurden mit Segeltuch und starken Planken bedeckt und durch Stützen gehalten, trotzdem steckte unser Wilhelm seine Nase tief ins Wasser. Nachdem die erste Gefahr für uns beseitigt war, wurden die Boote wieder eingesetzt. Die Mannschaft wurde an sämtliche Handpumpen mit Ablösung vertheilt und die Dampfpumpe spie ihr Wasser. Von Dover kamen zwei große englische Schleppdampfer welche ihre Schläuche im Schiff anbrachten und mit Pumpen halfen.

Mit nur langsamer Fahrt kamen wir am ändern Morgen vor Portsmouth, dem größten englischen Kriegshafen an, gaben unsere Munition in Leichter (große Kähne) ab, denn in den Docks darf keine Munition an Bord eines Schiffes sein. Alsdann gingen wir direkt in das für uns schon bereit gestellte Dock.

2. Im Dock

 

Bei der Einfahrt hatte sich auf den Kais, (Hafendamm) eine große Menschenmenge angesammelt, denn es ist zu denken, daß unser Unglück mit Telegraph, in der halben Welt und besonders in England bekannt geworden war. Im Dock angelangt, wurde die Dockschleuße geschlossen und mächtige Maschinen pumpten das Wasser aus dem Dock, während Arbeiter das Schiff zu beiden Seiten mit Balken abstützten. Nachmittag war das Dock trocken gelegt und nun konnte man unsem Schaden besehen, der Rammsporn war ganz nach Backbord abgerissen und ergab ein Loch von oben bis unten und ziemlich breit.

Während der 4 Wochen welche das Schiff im Dock lag, wurde unsere Mannschaft auf einem hölzernen engl. Kriegsschiff, der "Bellerophon" unter gebracht, auf "König Wilhelm" befand sich nur eine Sicherheitswache, am Tage arbeiteten wir auf unserem Schiff und wurden die 2 vorderen Komparts vollständig ausgeräumt um gereinigt zu werden. Es befanden sich in denselben alle möglichen Materialien, welche ein Schiff mit großer Besatzung für eine Reise braucht. Darunter befanden sich tausende von Büchsen mit Fleisch, Lachs und Würstchen, dies Alles wurde in der Batterie gelagert. Es mußte ja auch Raum geschaffen werden für die Werftarbeiter, denn das Schiff sollte einen provisorischen Holzsteben bekommen. Von diesen Büchsen, welche während der Reise an die Mannschaft zur Abwechselung statt Salzfleisch abgegeben werden sollten, war plötzlich eine größere Anzahl verschwunden, trotzdem Posten beistanden. Der erste Offizier kam dahinter, daß sich ein Theil der Mannschaft daran vergriffen hatte, er ließ "Alle Mann" an Deck antreten, hielt uns das Unstatthafte vor, und wollte diejenigen wissen, die es gethan hatten. Da Niemand persönlich abgefaßt worden war und natürlich Keiner etwas verriet noch gethan haben wollte, bekam die ganze Mannschaft zur Strafe eine Woche lang, keine Fleischration.

Portsmouth ist eigentlich nur ein Kriegshafen und hat eine große Werft, wo auch noch viele der alten hölzernen 2 und Dreidecker aus alter Zeit lagen, welche zu besichtigen sehr intressant war, da ihre Bauart und Einrichtung so grundverschieden von der jetzigen war. Alle Tage gab es Urlaub an Land und wurden wir von der Bevölkerung gut aufgenommen. In den letzten Tagen des Juni war unser Schiff wieder seeklar, wir legten aus dem Dock in den Hafen, nahmen wieder unsere Munition ein und langten Anfang Juli in Wilhelmshafen an. Auf der Heimreise hatten wir 12 Uhr Nachts einen kleinen Zusammenstoß mit einem der in großer Anzahl vor Helgoland liegenden Fischerboote, welcher keine Laterne führte, der Fischermann kam mit gebrochenem Mast davon, dessen Spitze hinter unsern Steuerbord Anker gerathen war, während uns nur der Anker aus seinen Befestigen gerissen wurde, jedoch nicht verloren ging.

3. Wieder in Wilhelmshaven

 

Am Morgen vor Wilhelmshafen angekommen, gaben wir unsere Munition ab und holten durch die Schleuße an die Kohlenschuppen um die noch an Bord befindlichen Kohlen an Land zu schaffen. Es war dieses an einem Sonnabend.

Da den Sonntag in der Stadt Schützenfest war, erhielt die Freiwache bis 12 Uhr Urlaub an Land. Unser Schiff lag dicht an der Kohlenbrücke und es hatten ein groß Theil der Wache es verstanden und sogar die meisten Unteroffiziere, sich an Land zu schmuggeln um das Schützenfest mit zu feiern. Dieses war dem ersten Offizier zur Kenntniß gelangt und begab sich spät Abends in Begleitung mehrerer Offiziere nach dem Festplatz, wo man eine Anzahl Unteroffiziere sowie Matrosen von der Wache stellte und deren Namen und No. aufschrieb. Gegen 12 Uhr Nachts war der 1. Offizier wieder an Bord und ließ "Alle Mann" Musterung pfeifen und mußten was an Bord war, an Deck antreten und da stellte es sich heraus, daß noch allerlei fehlten, hauptsächlich von den Unteroffizieren. Auf letztere war der 1. Offizier am meisten ergrimmt und mußten dieselben als Strafe die beiden folgenden Nächte, die wir noch an der Kohlenbrücke lagen, immer im Schiff und außen auf der Brücke Posten stehen, damit Niemand und sie selbst weglaufen konnte, der Urlaub an Land war gestoppt.

Nachdem die Kohlen ausgeladen waren, holten wir nach der Werft, das Schiff wurde abgetakelt, und alle Ausrüstungsgegenstände in die Lagerschuppen gebracht. Am 13. Juli Nachmittags 3 Uhr wurde mit einem dreimaligen Hurrah auf den obersten Kriegsherrn, Flagge und Wimpel niedergeholt und unser Schiff war außer Dienst gestellt. Die Mannschaft wurde ihren betreffenden Abtheilungen übergeben und kam in die Kaserne.

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