Mit der "Rotterdam" von Rotterdam nach New York

1. Rotterdam  im Februar 1882

Am 6. Febr. 1882 langte ich in Rotterdam an und begab mich nach der Valkenstraat bei dem Schlafbaas Leydecker in Logis, welches die Woche 8 Gulden kostete. Der Gulden nach deutschem Gelde 1 Mrk. 66 Pfg. Das erste was ich that, war, daß ich mir die nötige Ausrüstung kaufte und mich nach Schiffsgelegenheit umsah, da ich nicht Lust hatte lange an Land zu liegen. Das Glück war mir günstig, indem ich am 15. Febr. für den Dampfer "Rotterdam" munsterte. Derselbe gehörte der Niederland-Amerikanischen Dampfschifffahrt Gesellschaft an, welche zur Zeit über sechs Dampfer verfügte, drei von Amsterdam und drei von Rotterdam und ein Post und Passagier-Verkehr zwischen den beiden holländischen Häfen und New York versahen. Die "Rotterdam" hatte außer ihrer Fracht noch Raum für 5-600 Zwischendeckspassagiere und 40-50 Kajütspassagiere erster Klasse. Zweiter Klasse war nicht vorhanden, auch waren die Zimmer in der ersten Klasse sehr einfach gehalten, und zur Bedienung waren nur zwei Stewards und eine Stewardeß vorhanden, nebst einem Kajütsjunge, welcher wenn Essenszeit war, in der Päntry als Aufwäscher fungierte. Die "Rotterdam" hatte zwei Masten mit Raaen, also Briggstakelage, welche für den Nothfall und wenn günstiger Wind wehte, gebraucht wurde. Fast sämmtliche Uebersee Dampfer damaliger Zeit führten noch eine gewisse Hilfstakelage, denn die Maschinen waren noch nicht so kompliziert und sicher als 50 Jahre später. Bei halbwegs günstigen Wetter brauchte die "Rotterdam" 12-13 Tage zur Hin- oder Herfahrt, so daß gewöhnlich jede Reise, da man auch gewöhnlich 14 Tage in New York lag, sechs Wochen dauerte, 14 Tage lag der Dampfer dann wieder in Rotterdam. Fünfmal habe ich die Reise von Rotterdam nach New York mit diesem Dampfer gemacht, da es mir gefiel und ein gutes Kommando hatten.

2. Abfahrt

Am 18. Februar verließen wir mit zirka 500 Passagieren, meistens Süddeutsche den Hafen. Die direkte Verbindung mit der Nordsee, der sogenannte Waterweg, war zu der Zeit so versandet daß tiefgehende Schiffe ihn nicht benutzen konnte, sondern durch den Helvoitsschleuß Kanal, und so passirte es, daß diese Reise gar 17 Tage dauerte, indem wir drei Tage vor der Seeschleuße liegen mußten, da ein starker Nordweststurm wehte, die See stand außerhalb der Schleuße höher als das Land innerhalb derselben, da Holland tiefer liegt als die Nordsee, und nur durch Deiche vor einer Ueberschwemmung geschützt ist. Wir mußten warten bis normaler Wasserstand eintrat und der Sturm sich legte. Die Ueberreise verlief ziemlich gut, nur etliche Tage vor New York kamen wir vor Mitternacht in ein großes Feld Treibeis zu sitzen, in welcher Zeit nur wenig Fahrt gemacht wurde. Da gerade klarer Himmel und Mondschein war, gewährte es einen prächtigen Anblick, wie die Eisschollen flimmerten, denn so weit das Auge reichte, war nichts als eine große Eisfläche zu sehen. Gegen Morgen war das Eis mit Wind und Meeresströmung nach Süden getrieben, worauf wir unsere Fahrt volldampf fortsetzten. Die Besatzung der "Rotterdam" war einschließlich der Offiziere 47 Mann stark. Wir Matrosen hatten einen Monatslohn von 28 Gulden. Die Besatzung war ebenfalls in zwei Wachen eingetheilt, nur das Maschinen Personal geht in 3 Wachen alle 4 Stunden. Die Decksmannschaft geht in 24 Stunden fünf Wachen und zwar von Mittag 1 Uhr bis 7 Uhr, von 7 Uhr bis 12 Uhr, von 12 Uhr bis 4 Uhr, von 4 Uhr bis 7 1/2 Uhr und von 7 1/2 Uhr - 1 Uhr. Die Freiwache konnte stets schlafen gehen, wenn es nicht ganz besondere und nothwendige Arbeit gab. Auf den Wachen von 7 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens wurde nur der nöthige Dienst verrichtet, als da ist Ausguck und Ruder zu besetzen, da es nur 2 Quartermeister gab, welche nur beim Ein und Auslaufen eines Hafens das Ruder bedienten, mußten wir Matrosen in See ebenfalls das Ruder bedienen. Heizer und Matrosen hatten getrennte Logis und zwar im Vorschiff unter Deck, wo längs der Bordwand und der Theilungswand beider Logis, hölzerne Kojen, zwei übereinander, 2 Meter lang und 65 Zentimeter breit eingebaut waren, in der Mitte ein Tisch, als Sitzgelegenheit unsere Seekisten, eine Petroleumlampe und ein eiserner Ofen war das ganze Inventar, Kleiderschränke gab es nicht. Nur der erste und zweite Bootsmann, der Zimmermann und der sogenannte Lampenist, welch letzterer sämtliche Lampen im Schiff in Ordnung zu halten hatte, hatten ein besonderes Zimmer. Elektrisch Licht gab es noch nicht. Kaptän und Offiziere hatten achter ihre Zimmer. Das Schiff hatte ein glattes Holzdeck, keinerlei Aufbauten, auch keine Back, auf den Niedergängen befanden sich kleine mannshohe Häuschen um nach unten zu gelangen. Nur die Kombüse und Bäckerei waren hinter der Komandobrücke auf Deck gebaut.

3. Verpflegung und Unterbringung an Bord

An Essen für die Mannschaft gab es zum Frühstück dicke Graupen (Kälberzähne) frisches Schwarz und Weißbrot ohne Ration, Butter, Käse und Kaffee. Wenn die alten holländischen Matrosen ihren Napf mit Graupen, welche nur in Wasser dick gekocht waren, füllten, thaten sie ein paar Löffel Syrup daran, wuschen und reinigten einen Salzhering, schnitten denselben ganz klein, alles dann in die Graupen gerührt und dieses dann verzehrt. Ich konnte mich zuerst daran nicht gut gewöhnen, habe es aber versucht und dann sogar mit Vorliebe gegessen. Um 10 Uhr ist zweites Frühstück (Pickert) Kaffee und Brot. Um 12 Uhr Mittag, Erbsen, Bohnen, Reis, Kartoffeln, gesalzenes Rind oder Schweinefleisch, auch gebratenen Speck, und in einem Beutel gekochten Mehlklos. Erbsen und Bohnen waren meist von der braunen Sorte, erstere waren so groß wie Schlehen und hatten den Spitznamen "Bramstagloopers". Jeden Freitag giebt es Stockfisch und Senfsauce. Der Fisch wird 12-18 Stunden in Wasser gelegt, alle 2-3 Stunden kommt anderes Wasser darauf, dann wieder mit einem Holzhammer geklopft daß er weich wird, in kleine Stücken geschnitten, in kleine Bündel gebunden und gekocht. Die Senfsauce wurde so gemacht: Senfkörner wurden gebrüht, dann in einer großen Holzschüssel vermittelst einer eisenern Kugel, welche man durch Bewegung der Schüssel in Umlauf bringt, gemahlen, es ist gewöhnlich Sache der Schiffsjungen auf der Nachtwache. Der Koch macht dann die Sauce zurecht. Um 4 Uhr nachmittags ist wieder Pickert, Brod, und Butter. Abends giebt es Thee und Brod und ist vom Mittagessen übrig geblieben, so giebt es aufgewärmtes dazu.
Diese Mahlzeiten sind auf allen holländischen Schiffen ziemlich gleich, nur daß auf Segelschiffen bei langen Reisen, Käse und Kartoffeln es nur so lange giebt, als der mitgenommene Vorrath reicht, so steht es auch in der Munster Rolle, wenn beim Wasserschout geheuert wird. Auf Dampfern mit kurzen Reisen ist immer genug da. Zweimal des Tages giebt es ein Gläschen Genever, was man "Besahnsschootan" nennt. Auf der "Rotterdam" wurde auch das übergebliebene Essen aus der ersten Klasse, Abends für die Mannschaft zurecht gemacht. Jede Reise nach New York oder zurück, wurde eine. Kuh mitgenommen, welche unterwegs geschlachtet wurde, so daß es einmal Frischfleisch gab, sonst stets Salzfleisch. Das Essen für die Zwischendecker ist ziemlich dasselbe, nur keine Graupen.
Auf der Ausreise wo wir fast stets 5 bis 700 Zwischendecker hatten, tritt der Dampfkoch, da wir aber auf der Heimreise selten mehr als 70 Zwischendecker hatten, für welche dann in der ersten Küche mitgekocht wurde, in Funktion. Auf der Heimreise spielte der Dampfkoch Matrose. Es war nur ein Dampfkessel und in diesem wurde nach jedesmaliger Reinigung "Alles" gekocht für die Zwischendecker. Diese 5-700 Zwischendecker wurden von 3 Mann betreut, welche man Zwischendeckwächter nannte, zwei davon waren auf der Heimreise wieder Matrosen, als welche sie ja auch gemunstert hatten. Der sogenannte erste Zwischendeckswächter hatte seinen Posten ständig und besorgte auf der Heimreise die Zwischendecker allein, da es sich nur um eine geringe Anzahl
handelte. Er hatte auch den Bier Verkauf im Zwischendeck unter sich, und wurde mal nicht genug verkauft davon, gab es ein paarmal Salzheringe zum Abendbrot und die zwei großen Wasserfässer, welche für den außschließlichen Trinkbedarf der Zwischendecker an Deck lagen, waren dann ziemlich leer, aber der Durst quält! Ich mußte die erste Reise mit noch einem älteren Holländer, als zweiter Zwischendeckswächter fungiren und habe genug davon gesehen. Im Zwischendeck, welches gleich unterm Hauptdeck liegt und in einem Räume, noch ein Deck tiefer, Sperrdeck genannt waren die Zwischendecker untergebracht, diese beiden Räume waren mit zwei übereinander liegenden Holzkojen ausgebaut, Tische und Bänke gab es nicht. In dem Räume des Sperrdecks konnten bis 200 Mann und zwar nur Männer ohne Familienangehörige untergebracht werden, während im Zwischendeck Familien und alleinreisende junge Mädchen untergebracht waren. Diese Holzkojen waren so eingerichtet, daß man dieselben ohne Bruch ab und aufbauen konnte, um auf der Heimreise den Platz für Ladung zu benutzen. In jeder Koje war als Ausrüstung eine Seegras-Matratze, ein Kopfkissen, eine Decke und ein Rettungsgürtel (Korkweste) enthalten. Blechgeschirr zum Essen fassen, brachte ein Jeder mit, welches ihm vor dem an Bord gehen, geliefert wurde. Jede Koje hatte ihre Nummer welche auch der Zischendecker bekam, so daß es ein Aussuchen nicht gab. Wenn Essenszeit war, wurde mit einer Handglocke geläutet und ein Jeder hatte dann auf seinen Platz zu gehen, da ihm das Essen dahin gebracht wurde. Dieses geschah folgendermaßen: Zum Frühstück und Abendessen wo es Brod, Thee oder Kaffee gab, schnitt der erste Zischendeckswächter Brod welches vierkantig in Form gebacken, etwa 10 Zentimeter hoch + breit war und aus Weizenmehl bestand, Scheiben von ungefähr 4-5 Zentimeterdicke, die beiden Gehilfen thaten zwischen zwei solcher Stücke ein Stück Butter und packten dieselben in große Kessel, wenn dieses besorgt war und Essenzeit war da, wurde ebenfalls in Kesseln, woran zwei Mann zu tragen hatten, der Kaffee oder Thee geholt. Der erste Wächter theilte, einen Kessel mit Brod hinter sich herziehend, jedem Passagier, einem Packen Brod zu, wir zwei anderen an jeder Seite einen Kessel Kaffee oder Thee hinter sich herziehend, Jedem einen Schöpflöffel, welcher einen guten halben Liter faßte, das Getränk verabfolgte. Mittags gab auf dieselbe Weise, der erste das schon in Portionen geschnittene Fleisch aus und wir zwei das Essen, Jeder bekam 1 Liter Suppe oder 6-8 Kartoffeln, je nach Größe, die Kartoffeln wurden in der Schale gekocht. Nachts gingen wir Zwischendeckswärter Wache, hauptsächlich darauf zu achten, daß weder Tage noch Nachts unter Deck geraucht wurde.

4. Begebenheit am Rande

Die Tagesarbeit der Matrosen war hauptsächlich in der Reinigung der Decks und Farbe eingestellt. Jeden Morgen wurde Zwischen- und Sperrdeck gefegt und mit Sägespähne bestreut, welche die Feuchtigkeit, durch Seekrankheit oder Verschütten von Getränk aufsaugen sollten, denn damit sah es mitunter recht heikel aus. War schönes sonniges Wetter, so saßen die Passagiere an Deck und waren lustiger Dinge, aber "o Weh" war schlechtes Wetter so sahen deren Gesichter anders aus, es geschah da eines Tages daß ein Mädchen in der Eile nach der Reling wollte, den Mund voll, konnte sich beim Ueberholen des Schiffes nicht halten und wäre gefallen, ein Matrose bekam sie noch zu fassen, Gesicht gegen Gesicht und da bekam er die ganze Ladung, daß er nicht aus den Augen sehen konnte; ja da gab es mitunter recht ergötzliche Augenblicke woran die Seekrankheit schuld ist. Eines Nachts, ich hatte Wache von 12 Uhr ab, es war starker Nordwestwind und Seegang, der Dampfer arbeitete schwer, hatten sich im Zischendeck mitschiffs, wo Familien schliefen, ethliche Stützen gelöst und eine Reihe Kojen brachen
zusammen, alles kam durcheinander zu liegen und fing bei dem Schlingern des Schiffes hin und her zu rollen, die Leute fingen an zu schreien und heulen, einige lagen auf den Knien und beteten, denn Allen hatte sich der Gedanke festgesetzt, das Schiff ginge unter. Es war auch ein trostloser Anblick der sich einem darbot, den Alles lag durcheinander, Holzteile, Koffer, Kisten, Essgeschirr, große und kleine Menschen, es war fürs erste eine heillose Verwirrung, ich that mein bestes sie zu beruhigen, das keine Gefahr vorhanden wäre und als es mir einigermaßen gelang, machte ich Meldung an den Wachthabenden Offizier, welcher den Zimmermann und die Wache herunter schickte, es wurde Alles wieder aufgebaut und die meisten Passagiere lachten dann noch selbst über dieses Mißgeschick. Im Allgemeinen hatten es die Zwischendecker auf den holländischen Dampfern noch eine ziemlich erträgliche Ueberfahrt, es gab keine so große Ueberfüllung, wie ich es von anderen Rhedereien gehört habe, wo man diese Leute wie Heringe zusammen packte.

5. Ankunft in New York

In New York angekommen, wurden die Zwischendecker in eigens von der Einwanderungsbehörde gesannten Fahrzeuge abgeholt. Vorher fand an Bord eine ärztliche Untersuchung statt, ob ein Jeder geimpft war oder sonst krank war, ihre Sachen wurden auf zollpflichtige Gegenstände untersucht, worauf die Ueberführung nach dem damaligen Castel Garden (Schloßgarten) welches am Ende der Lowery lag, stattfand. Hier wird ihnen Rat und Hilfe ertheilt, können Geld umwechseln, Bahnkarten zur Weiterreise kaufen, Gepäck wird aufbewahrt, auch befindet sich ein Arbeits Nachweis Bureau daselbst, es werden ihnen zuverlässliche Gasthäuser angewiesen u.s.w. so daß der Einwanderer sicher ist von keinen gewissenlosen Agenten betrogen zu werden, welche sich an Auswanderer unter der Maske als Landsmann herandrängen, es ist von dieser Sorte Agenten schon Mancher in halbe Sklaverei verkauft worden, da er ihren Versprechungen zu viel Glauben schenkte, denn gar Mancher ist mit den schönsten Hoffnungen an Land gekommen und hat dann gefunden, daß das Gold in Amerika auch nicht auf der Straße liegt. Gut für den, der im Lande ansäßige Verwandte hat, welche ihm mit Rat und Tat unterstützen können. Bei der Handelsmarine hat jeder Mann für seine Ausrüstung selbst zu sorgen, er wäscht an Bord seine Sachen selbst und flickt und stopft dieselben in seiner Freizeit, wie der betreffende gerade Lust und es für nöthig hält, eine feste Zeit ist ihm nicht vorgeschrieben, ebenso der Verbrauch von Wasser zum Waschen.

6. Musterung und Seemannsheim

Auf Jeder Reise welche die "Rotterdam" machte, wurde in Rotterdam abgemunstert und die Leute abbezahlt. Wer für die nächste Reise wieder mit wollte, theilte es dem 1.Offizier mit und wurde während der Liegezeit in Rotterdam, gegen Entgelt, aber ohne Kost beschäftigt. Das Aus und Einladen der Ladung wurde mit sogenannten Schauerleuten, welche von einem Laas (Annehmer) angestellt werden, besorgt. Dieser Laas übernimmt die Verantwortung für ein richtiges Ein und Ausladen des Schiffes, je nach der Art der Ladung. Drei Tage vor der Abreise nach New York wurde die neue Mannschaft gemunstert und zwar immer für die Zeit bis das Schiff wieder im Heimathafen oder wenigstens in einem europäischen Hafen liegt. Diese Munsterung geschah auf folgende Weise: In dem Bureau des Wasserschouts kamen zu einer bestimmten Zeit, sämtliche Leute welche angenommen werden sollten zusammen. Der Sekretair ließt die verschiedenen Paragrafen der Seegesetze vor, giebt kund wie das Schiff und der Kapitän heißt, was für Ladung und wohin es geht, wie hoch der Monatslohn und das Handgeld ist und verschiedenes mehr. Darauf wird jeder mit Namen und Charge aufgerufen, derselbe giebt seine Papiere ab und schreibt seinen Namen in die Liste, womit er sich verpflichtet hat, jedoch konnte er innerhalb von 24 Stunden zurücktreten, indem er sein Handgeld zurück gab. War die Munsterung vorüber, ging die angenommene Mannschaft zum Heuerbaas in die Wohnung,
oder vielmehr in seine Gastwirtschaft, denn derselbe zahlt das Handgeld aus, auch erhebt er für seine Vermittlung eine Gebühr. Es besteht in letzterem eine feste Taxe, je nach der Charge, aber wer mehr zahlt steht in seiner Gunst und wird bei Gelegenheit bevorzugt, überhaupt wird über das Annehmen bei den Heuerbaasen nicht immer rühmliches erzählt. Schlaf und Heuerbaase sind in weitaus meisten Fällen die Landhaie der Seeleute, welche von ersteren schwer ausgenutzt werden. Heuerbaase, welche nebenbei eine Gastwirtschaft in den meisten Fällen betreiben, sind Leute, welche gleich einem Vermiethungsbureau, Seeleute für die Schiffe besorgen, denn selten nimmt der Kaptän seine Leute selbst an, er übergiebt dieses an einen Heuerbaas, welcher unter dem Seevolk bekannt ist und weiß wo er welche findet. Ebenso geht der Seemann nach den Heuerbaasen um sich nach einer Stelle (Chance genannt) zu erkundigen. Der Baas verdient doppelt für seine Beschäftigung, erstmal wird er vom Kaptän bezahlt, daß er Ihm Leute besorgt, zweitens von den Seeleuten, für eine Stelle. Wer einem Heuerbaas die Hand gut schmiert, fährt gut, war das Sprichwort damaliger Zeit der Seeleute. Ebenso ist es mit den Schlafbaasen, welche Kost und Logis für Seeleute vermieten. Sie beherbergen bis 10 und mehr Mann, aber nicht in kleinen Zimmern, sondern eine Anzahl beisammen. Der Schlafbaas und deren Frauen laßen sich gern "Vater und Mutter" tituliren, sollten aber in den meisten Fällen anders heißen, gute Ausnahmen sind wenige, Geld verdienen ist ihre Losung. Es wird allerhand erzählt und will hier im Allgemeinen ein Beispiel anführen: Ein Schiff ist von einer langen Reise wieder im Heimathafen angelangt, die Mannschaft wird entlassen und abbezahlt und Jeder, wenn er nicht das Seemanshaus aufsucht, geht wieder nach seinem früherem Logis. Nun ist es sonderbar, während der längeren Reise, wo er ja alle Zeit nüchtern ist, er auf den Schlaf- und Heuerbaas schimpft, und er ganz genau weiß, daß ihm in vielen Fällen, deren er sich jetzt erinnern kann, das Fell ihm über die Ohren gezogen worden ist, er schwört hoch und heilig, wenn er

wieder zurück kommt, im Seemannshause zu logiren, er weiß also ganz gut, daß er da besser aufgehoben ist. Warum thut er es aber nicht? Es handelt sich hier nur um ledige Seeleute, welche kein eigenes Heim haben. Ja, da giebt es eine Sorte Zwischenmänner "Kunner" genannt, welche, wenn das
Schiff im Hafen einläuft, an Bord kommen und für die Schlafbaase werben, denn da fallen Prozente ab. Ein paar Flaschen Genever und eine Portion Zigarren und ein gutes Mundwerk sind seine Werbemittel. Kennen thut er Jeden, wenn es auch nicht immer wahr ist, läßt im Logis, während die Leute ihre Sachen packen, fleißig die Buddel kreisen und steckt ihnen einen Glimmstengel in Mund. Und was kann er nicht Alles erzählen. Der Matrose weiß ganz gut, daß er ihn nur bereden will, aber der Genever steigt ihm zu Kopf, und, er läßt sich was vorreden und geht wieder mit ins alte Logis, anstatt ins Seemannshaus. Später, wenn er wieder auf See ist und klarem Verstande, verflucht er seine eigene Dummheit. Beim Schlafbaas angelangt, wird er freudig empfangen, da heißt es "Junge vorne" und Junge hinten," was siehst du dick und gesund aus, hast du eine gute Fahrt gehabt und was dergleichen Reden sind. Auf alle diese Ehre und Wiedersehen müssen natürlich etliche Runden getrunken werden, was für Alle gilt die gerade da sind. Da der Matrose erst in drei Tagen abgemunstert wird und dann erst seinen Lohn, welcher sich ja nach der Länge der Reise richtet, ausbezahlt bekommt, so schießt ihm der Schlafbaas eine gewisse Summe vor auf sein Konto. Hat er sein Geld ausbezahlt bekommen, so giebt er den größeren Theil dem Baas in Verwahrung, damit es ihm nicht andere Leute abnehmen. Aus dem Taumel kommen die wenigsten heraus, denn alle guten Gastwirth Freunde müssen ja besucht werden und die Freundinnen nicht zu vergessen. Ist Geld genug da, hat auch der Baas etwas passendes für ihn, da hat nämlich irgend Einer, weil er sein Geld verbraucht hat, und Schulden beim Schlafbaas gemacht hat, seinen besten blauen Anzug, wie er wieder ein Schiff hatte, als Pfand dagelassen, gekauft hatte er denselben auch beim Baas, dieser nimmt die Gelegenheit wahr und verkauft den Anzug an einen seiner Logisleute, der gerade ein gutes Konto bei Ihm hat und nun kann es passiren, daß der Käufer den Anzug ebenfalls als Pfand da läßt, dafür wird der Baas schon sorgen und so kann es passiren daß der Anzug mehrere mal verkauft wird. Will der Matrose sich selbst Sachen oder Ausrüstungszeug kaufen, geht Mutter natürlich mit, sie versteht ja besser was gut oder schlecht ist, nachträglich holt sie sich im Geschäft ihre Prozente. Ueberall wo er hinkommt, wird dafür gesorgt, daß er sein Geld los wird. Ich habe verschiedene Male, etliche Wochen im Rotterdamer Seemannshause gelegen, welches eines der besten ist, wie ich gefunden habe. Kost und Logis 8 Gulden die Woche. Jeder hat ein verschließbares Zimmer, Tisch, Stuhl, Waschgeschirr und Bett, einfach aber sauber. Essen, stets frische Kost. Es nöthigt einen Niemand, Getränke zu kaufen, will man Sachen kaufen wird man zu einem reellen Geschäft geschickt. Niemals bin ich mit Schulden in See gegangen und ich habe es selbst erfahren, will man mit irgend einem Schiffe mit, der damalige Direktor, ein alter Kaptän, dafür sorgte, daß man mit Umgehung des Heuerbaases, mitkam. Angenehm war Janmaat bei Heuer und Schlafbaasen so lange, als er Geld hatte, war es alle, schlug die Stimmung um, denn da war schon wieder ein Anderer der bemuttert werden mußte, leider sind diese Landhaie in allen Häfen der Welt die gleichen, mit wenigen Ausnahmen so gute, wie ich einen in Soerabaya, Holländsch Java kennen gelernt habe. 

7. Vergnügen

Ich habe lange mit einem Janmaat aus Flensburg, welcher in meinem Alter war, gefahren und ein guter Kamerad, kein Trinker. Uns beiden machte es stets Vergnügen, in den verschiedenen Häfen, des Nachts die verschiedenen Kaschemmen und Kellerwirtschaften zu besuchen, man darf da allerdings nicht im besten Zeuge hingehen und nicht viel Geld sehen lassen, immer Kleingeld in der Westentasche haben, denn Großes wechseln wird nicht vergessen. Was man alles erlebt und zu sehen bekommt ist nicht gut zu beschreiben, wenn sich halb und ganz betrunkene Männer und Weiber amüsiren. In allen Hafenstädten der Welt giebt es gewiße Straßen wo es toll hergeht und man nachts auf der Hut sein muß, in New York die Lowery und angrenzende Straßen, in Rotterdam Sandstraat und Schiedamer Deyk. Lag man ein paar Wochen im Seemannshause, so machte es uns Janmaats stets ein Vergnügen, daß wenn Markttag war, wir mit 5-6 Mann die Fischweiber utzten, und dieselben waren dann auch nicht faul, sie hatten gutes Mundwerk und man mußte aufpaßen, daß einem kein Fisch an den Kopf flog. Ebenso war es mit den Waschweibern. Hinter dem Schiedamer Deyk, war eine Badeanstalt und Wäscherei, die Straße hieß die Reitbahn, da standen in langer Reihe, längst der Straße 30-50 Frauen und Mädchen, welche in hohen Holztuben mit einem hölzernen Stampfer die Wäsche stampften. Auch diese ließen wir nicht in Ruhe, daß Necken war beiderseits, man mußte nur aufpassen vor schmutzigem Wasser. Sonnabends Morgens ist es in den besseren Viertel Rotterdams Gebrauch, daß bei schönem Wetter die Dienstmädchen Polstermöbel, am Hause lang auf den Bürgersteig stellen um dieselben auszuklopfen, da kann man auch ausgeklopft werden, die Mädchen wissen schon Bescheid, aber sie sind auch nicht böse, wenn man mal mit klopft. Schlimmer ist es schon wenn die Mädchen beim Reinigen der Vorderfront des Hauses und beim schruppen des Trottoirs, welches aus Ziegelsteinen besteht, betrifft. Jedes Haus hat neben der Hausthür Wasseranschluß für Schlauch und Rohr um die Vorderfront abzuspülen, da die Mädchen wissen, daß man blos seinen Ulk mit ihnen treiben will, so kann man sich darauf gefaßt machen, in ein Wasser-Kreuzfeuer zu kommen, denn unser Eins sieht nämlich auch zu einem Schlauch zu kommen, wenn eines der Mädchen nicht aufpaßt. Es heißt ja immer, was sich liebt, das neckt sich und beiderseitig wird da nichts übel genommen, die Hauptsache ist, daß der Ulk in seinen Grenzen bleibt. Vorübergehende lachen sich eins. Diese Dinge sind schon mehr altes Herkommen und wurde auch von der Polizei nicht weiter beachtet. Vier Reisen hatte ich mit der "Rotterdam" gemacht, ohne daß auf der Hin- oder Herreise etwas besonderes passiert wäre. Da ich über nichts zu klagen hatte, machte ich noch eine fünfte Reise mit, denn nach Beendigung dieser, sollte der Dampfer auf ein Vierteljahr zur Ueberholung nach der Werft und da wären wir Alle entlassen worden.

Entlassungsbeleg des Paul Roesler
Entlassungsbeleg des Paul Roesler

 

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