New York und die Rettung von 9 norwegischen Seeleuten

1. Am 26. August 1882

Es war am 26. August. 1882 einem Donnerstag als wir die Heimreise von New York antraten. Tags zuvor hatte an der amerikanischen Küste und im Atlantik ein schwerer Sturm gehaust, welcher sich noch nicht recht gelegt hatte, so daß noch immer eine recht hohe See und starker Wind im Atlantik herrschte, die Sonne schien jedoch freundliche hernieder, nur ab und zu von starken Windböen unterbrochen. Am Sonntag den 29. August bekamen wir Mittags 1 Uhr ein Wrack in Sicht, wir dampften nahe heran. Es war eine norwegische Brigg, deren Namen ich vergessen habe. Nur die Untermasten standen noch, die obere Takelage war weg, das Deck war wie rasirt, Logis, Boote und Verschanzung weggerissen, die Decksnähte alle offen, so trieb es steuerlos den Wellen preisgegeben, mit einer Ladung Holz. Bei jedem heben und senken stiegen aus den Decknäthen, durch den Druck erzeugt längs des Schiffes hohe Wasserstrahlen was einen eigenartigen Anblick bot. Da es keine Führung hatte, wälzte es sich in der noch hohen See hin und her, bald mit der See bald quer der See. Hinten am Heck standen neun Mann, man hielt da eine Holzplatte hoch, worauf geschrieben war, daß sie um Hilfe baten, da ihr Schiff jeden Augenblick auseinander gesprengt werden könnte; unser Kaptän dampfte so nahe als möglich heran, so daß man sich durch Zuruf verständigen konnte. Die Brigg kam von Halifx mit Holz nach Spanien, es wäre der dritte Tag, daß sie in dieser Lage wären nichts zu essen und zu trinken hätten, da das Schiff voll Wasser wäre und nichts zu erreichen sei. Unser Kaptän versprach ihnen, in der Nähe zu bleiben, da die See noch zu hoch ging um ein Boot auszusetzen. Mittlerweile hatte unser zweite Steuermann mit uns Matrosen das Steuerbordboot fertig gemacht und hing in den Davits klar zum wegfieren und riefen dem Kaptän zu, wir wollten es riskieren, und da rief der Kaptän "Freiwillige in die Boot", der zweite Steuermann und fünf Matrosen, darunter meine Wenigkeit sprangen ins Boot und im geeigneten nächsten Moment nahm uns eine hohe Welle auf den Rücken. Wir hatten ein langes Tau mitgenommen, um mit dem Wrack eine Verbindung herzustellen, denn da dasselbe wie ein Betrunkener steuerlos umhertrieb, mußten wir äußerst aufpassen nicht dagegen geworfen zu werden. Es gelang den Schiffbrüchigen die Leine zu zu werfen und fest zu machen, und so konnten wir jedesmal, wenn ein günstiger Moment kam das Boot mit der Leine schnell an das Wrack heran holen, ein Mann sprang in unser Boot, die Leine wurde losgelassen und wir ruderten vom Wrack ab, bis wieder ein günstiger Moment kam, so holten wir alle neun Mann einzeln von Bord. Effekten hatte keiner, weil alles mit dem Logis, welches an Deck gestanden hatte, mit fort geschwemmt worden war, ihnen standen die Freudenthränen in den Augen, als wir sie alle im Boot hatten, denn fast drei Tage hatten sie bei Hunger und Durst, den Tod vor Augen gesehen. An Bord des Dampfers hatte man alles zurecht gemacht, um unser Boot mit den 15 Mann schnell und sicher als möglich aufholen zu können; da wir gut 60 männliche Passagiere hatten, waren die Bootsläufer längs Deck geschoren worden und man hatte den Männern die Sache klar gemacht, wenn das nöthige Kommando kommt, wie sie dann längs Deck zu ziehen hätten. Ohne weiteren Unfall, bis auf einige Hautabschürfungen ist alles gut abgelaufen, wozu wir etwas mehr als zwei Stunden gebraucht hatten. Das Wrack überließen wir seinem Schicksal, da wir keine Möglichkeit hatten, es zu vernichten. Die Geretteten nahmen wir mit nach Rotterdam, von wo sie der norwegische Konsul nach ihrer Heimath beförderte. Vor ihrem Weggange von Bord kamen sie zu uns fünfen und bedankten sich nochmals bei uns. Es wurde zu der Zeit für einen solchen Vorfall kein großer Hailoh um gemacht, daß war eben Seemannspflicht, sich einander in Not zu helfen.

2. Auf Arbeitssuche in den USA

Am 9. Septbr. 1882 munsterte ich von der Rotterdam ab, da dieselbe nach der Werft zur Reparatur mußte. Einige Tage darauf munsterte ich aber auf dem Dampfer "Leerdam" von der selben Gesellschaft. Mit diesem Dampfer that ich nur die Ueberreise, da ich mir vorgenommen hatte, in New York weg zu laufen, um auch mal zu sehen, wie die Arbeit an Land aussieht. Auf der Ausreise hatte ich mich mit etlichen Zwischendecks Familien bekannt gemacht, denen ich meinen Plan mittheilte und auch bereitwillig waren, meine Kleider mit an Land zu nehmen, um mir dieselben bei ihnen in den mir gut bekannten Gasthäusern wieder abzuholen. Alles ging gut, Sonnabend Morgens kamen wir nach New York und Sonntag Morgens verließ ich das Schiff, ich logirte die erste Nacht in einem Gasthause in Perl Street, hier traf ich beim Frühstück eine Frau Wolf aus Jauer, welche ich als Knabe gekannt hatte und mit meiner Mutter befreundet war, sie war mit einem deutschen Dampfer gekommen und reiste nach St. Louis zu Ihrem Mann. Die Freude war beiderseitig und die Unterhaltung war die Heimat. Da ich nicht in New York bleiben wollte, auch die engl. Sprache leidlich sprechen konnte, war es mir gleich was für Arbeit es gab. Ich hatte Glück, gegen Abend kam ein junger Herr und frug unter den Einwanderern, welche sich in dem Gasthause befanden nach einem jungen Mann auf seines Vaters Landgut, welches sich eine gute Stunde mit der Bahn von New Jersey in Richtung Patterson befand. Er hatte einen Herrn mit, welcher deutsch sprach. Kost und Logis nebst 12 Dollar den Monat war das Angebot. Da sonst keiner da war, frug man mich, und da ich nichts zu verlieren hatte, nahm ich an, den ganz schlimm konnte es nicht werden, da ich nicht gerade Neuling war. Noch denselben Abend nahm der Herr mich mit, wir setzten mit der Ferry (Fährboot) nach New Jersey über nach der Erie Ralway Station und ich hörte den Herrn die Billets nach der Station Passaie lösen, ich war sofort im Bilde, da ich diese Strecke, welche nach der Industriestadt Patterson führt, schon mehrfach gefahren war, wenn wir mit der Rotterdam in Amerika lagen, ich in dieser Stadt gute Bekannte besuchte, wozu ich stets zwei Tage Urlaub bekam.

2. Patterson, New Jersey

In Passaic angekommen, wartete auf uns ein Einspänner und in einer guten halben Stunde, es konnte 9 1/2 Uhr sein, langten wir auf dem Landgut an, wo mich der Herr einem im Stall beschäftigten Mann von 35-40 Jahren übergab. Letzterer war ein Ostpreuße und hieß Ferdinand mit Vornamen. Das Stallgebäude, man nennt es die Barn, war ein ziemlich großer Bau, Wagenremise, Platz für zwei Pferde und fünf Kühe geräumig vorhanden, über dem Pferdeplatz war eine Kammer gebaut, in welcher mich Ferdinand brachte. Reinliches Bett, Tisch, Stuhl und ein kleiner Schrank die Ausstattung.
Er erzählte mir dann, daß das Landgut kein Bauernbetrieb war, sondern nur zum Gebrauch für die Eigenthürner, nur das zuviel Gewachsene würde verkauft und Morgen früh um 4 Uhr wollte er mit einem Wagen voll Weißkohl nach Patterson fahren. Um 5 Uhr müßte ich die Kühe melken, da würde mir seine Frau die ersten Tage mit helfen, er mochte da wohl schon mehr Erfahrung mit jungen Leuten gemacht haben, denn er war schon längere Jahre bei dem Besitzer. Etwa 200 Meter vom Herrschaftshause stand ein kleines massives Häuschen mit geräumigen Zimmern, die er mit seiner Familie bewohnt, er besorgte das was an Landwirtschaft da war und das war allerlei, wie ich später gewahr wurde und um das zu bearbeiten, wurden noch Leute in Taglohn gehalten, wenn nöthig. Die Herrschaft bestand aus einem alten Herrn von gut 60 Jahren seiner Frau und erwachsenen Tochter, sowie zwei große Söhne und ein Dienstmädchen. Der Herr mit den beiden Söhnen fuhren jeden Morgen nach New York, sie waren Angestellte in einem Bankhause und kamen Abends wieder nach Hause, die Strecke vom Landgut bis Station Passaic mußte ich sie, wenn schlechtes Wetter war, mit dem Wagen fahren oder Abholen, sonst gingen sie zu Fuß. Am anderen Morgen als Ferdinand weg war kam dann auch seine Frau und weihte mich in die Kunst des Kühe melkens ein und am vierten Tage war sie mit mir zufrieden, ich machte diese Arbeit nun allein. An Früchten wurden gebaut Kartoffeln, Mais, Weißkohl, Runkerüben und dann waren ein paar Wiesen für Heu. Das meiste von Allem war fürs Haus und das Vieh bestimmt, auch waren in einem großen massiven Stalle welcher extra stand, gegen 200 Hühner unter gebracht, welche ich zu betreuen hatte und dann war ein großer bissiger Hofhund, welchen ich aber bald zu gutem Freund hatte. Das Haus welches der Besitzer mit Familie bewohnte war ein geräumiges zweistöckiges Haus, vor demselben war eine Pumpe und unter der ziemlich großen Küche waren zwei zementierte Zisternen für Regenwasser. Zwischen Haus und Barn und nach der Seite lag ein großer Obst, Wein und Beerensträucher Garten. Ich hatte gute Behandlung und Essen, letzteres echt amerikanisch auf mitunter einem Dutzend kleiner Teller, so groß wie Untertassen, auf jedem ein paar Löffel voll was anderes, meist süß, ich aß in der Küche. Mit dem Dienstmädchen, welches eine Schwedin und 24 Jahre war, konnte ich mich nicht gut vertragen, sie war falsch und herrisch und verwöhnt. Brachte ich Morgens nach 5 Uhr die Milch in die Küche, war fast stets der alte Herr da, hatte Feuer gemacht und kochte Kaffee, wenn damit fertig, rief er das Mädchen. Jeden Mittwoch nachmittag mußte ich dieselbe nach Passair spazieren fahren. Da man meinen Vornamen Paul nicht gut aussprechen konnte, so rief man mich Henry. Barn und Haus waren 50 Meter voneinander entfernt, und da ich meist da zu thun hatte, wie Pferde und Kühe putzen oder im Garten Arbeit hatte, oder Wagen reinigen, so konnte ich stets damit rechnen, daß ich von dem Mädchen etliche Mal des Tages gerufen wurde, sie stand dann in der Thür, schwang eine große Handklingel und ließ den Ruf Henry erschallen. Dann sollte ich kommen ihr Wasser pumpen, Kohlen oder Holz holen, Asche wegbringen und sonst noch was, sie befehligte mich mehr als die Herrschaft oder Ferdinand. Ich hatte dieses Weibchen bös im Magen und wenn irgend die Gelegenheit sich bot, ließ ich sie rufen so viel sie wollte, da konnte ich schwerhörig sein, sie hatte, wie mir Ferdinand, der auch kein Freund von ihr war 24 Dollar Lohn im Monat, mochte sie die Arbeit selbst machen, ich wollte nicht ihr Gentlemann sein. Mit Ferdinand konnte ich die vier Monate, die ich dort war, ganz gut vertragen, er war eine gemüthliche Seele, ebenso seine Frau. Mein Vieh hielt ich gut in Futter und gab ihnen mehr zu fressen als ich zu getheilt bekam, was ich heimlicher Weise that, und der Vormann nichts wußte, daß ich ihn bei Gelegenheit Maisschrot klaute, welches mit Wasser angerührt, ich vor dem Schlafen gehen, den Kühen zu saufen gab, ich mochte nämlich auch gern Milch trinken. Ich muß doch gut gethan haben, denn vom 2- Monat ab, bekam ich 14 Dollars den Monat. Auch mußte ich viel die Herrin oder die Tochter nach Passaic oder Patterson fahren, wenn sie Einkäufe besorgten. Sonst viel nichts besonderes vor. Auf die Dauer war nur der Lohn nicht hoch genug, und der fortwährende Aerger mit dem Dienstmädchen, bewogen mich Ende Januar diese Stelle zu verlassen, man mußte einen anderen einstellen.

3. Steinbruch bei Newark am Passaic River

Ich bekam sofort Arbeit bei einem Hausbau in der Nähe, aber auf dem Lande, Clifton hieß der Ort. Bei Ferdinand blieb ich in Kost und Logis. Zu der Zeit waren die Löhne auf dem Lande bei 10 stündiger Arbeitszeit für Maurer und Zimmerleute, sowie Tischler, zwei bis zwei ein halb Dollar, ein Arbeitsmann ein Dollar 50 Cents. In den größeren Städten wie New York und Newark gab es für alle Kategorien einen halben Dollar mehr die Stunde, im Akkord wurde natürlich etwas mehr verdient, mußte aber auch tüchtig ranhauen. Ich habe nur 3 Wochen auf dem Bau gearbeitet, Steine und Kalk geschleppt für 1 1/2 Dollar den Tag. Ich nahm meine Sachen und fuhr nach Awandale, Essey County, dieser Platz, mehr ein Dorf liegt nicht weit von der Stadt Newark, am Passaic River, hier wurde in der Nähe eine Eisenbahnbrücke über den Fluß gebaut, deren Pfeiler aus starken Stein Beton werden sollten. Erst versuchte ich es in einem der hier im Betrieb befindlichen großen Steinbrüche unterzukommen, aber das wurde nichts, und so wollte ich es dann bei der Brücke versuchen. Ich hatte mich bei einem Steinbrecher, einem Badenser, in Kost und Logis begeben 4 1/2 Dollar die Woche. Da es von meinem Logis bis zur Brücke eine gute halbe Stunde zu laufen war, nahm ich am nächsten Morgen gleich zu Essen in einem Kessel mit, für den Fall daß es Arbeit gab. Nach Papieren fragt keiner, wird Jemand gebraucht, kann er zu jeder Stunde anfangen oder aufhören, kann aber auch jede Stunde entlassen werden, wenn es dem Vormann gefällt und sonderbar, wo größere Kolonnen arbeiten sind die Vorleute meist Irländer, aber auch als Antreiber bekannt. Als ich gegen acht bei der Brücke ankam, baute man just den Mittelpfeiler, Laufplanken vom Ufer führten dahin. An Land lag ein großer Haufen Sand und in der Nähe stand eine größere Baubude, aus welcher der Vormann gerade kam. Natürlich ein Irländer, rothen Bart. Als ich ihn wegen Arbeit frug, musterte er mich und sagte ja, ich solle meine Sachen in die Bude stellen und nach dem Sandhaufen kommen. Ehe ich anfragte, hatte ich bemerkt, daß ein älterer Mann, Anfang 50 mit der Karre Sand nach dem Mittelpfeiler fuhr. Der Lohn war 1 Dollar 75 Cent die Stunde. Als ich aus der Bude zum Sand häufen kam, war mein lieber Vormann gerade dabei, den älteren Mann zu entlassen und zu bezahlen, derselbe war auch ein Deutscher, konnte aber sehr wenig englisch, wie er mit dem Vormann sprach. Dieses Geschäft abgethan, wandte sich der Vormann an mich mit den Worten, ich solle den Sand nach dem Pfeiler fahren. Das hatte ich nicht gewollt, daß ein Anderer, wenn auch älter für mich ausscheiden sollte, und mein erster Gedanke war, was machst du, wenn der denkt er kann aus mir mehr herausschinden, da soll er sich geirrt haben und es kam wie es kommen mußte. Ohne zu hasten füllte ich die Karre und fuhr sie nach dem Pfeiler, dreimal war das gethan, ich merkte aber, daß ich beobachtet wurde. Als ich die vierte Karre einschaufelte, kam der Vormann nach mir her, nahm mir die Schaufel aus der Hand und schaufelte Sand in die Karre, wobei er bemerkte, ich müßte schneller machen, ich gab ihm zur Antwort, damit solle er man bei bleiben, alles auf gut englisch, ohne noch etwas zu sagen, wandte ich ihm den Rücken, ging meine Sachen holen um wieder nach Hause zu gehen, blieb aber noch ein paar Minuten hinter der Bude stehen, denn der ältere Mann war noch nicht fortgegangen, ehe ich für gut weg ging, karrte er wieder Sand. Was sich mein lieber Vormann wohl gedacht hat als ich ihm meine Antwort gab, das Gesicht was er machte, war großartig. Als ich meinen Logisleuten es erzählte haben sie weidlich gelacht, jedoch mein Logisvater brachte gute Kunde zu Mittag. Er hatte mit dem Vormann des Steinbruchs, wo er arbeitete, gesprochen, ich könnte daselbst sofort anfangen, da ich zur See gefahren hatte und man einen Mann brauchte, welcher einen Scheppkahn steuern konnte.

4. Mit dem Schleppkahn Steine nach New York bringen

Er hatte mit dem Vormann des Steinbruchs, wo er arbeitete, gesprochen, ich könnte daselbst sofort anfangen, da ich zur See gefahren hatte und man einen Mann brauchte, welcher einen Scheppkahn steuern konnte, solange der Passaic-River noch zugefroren war, konnte ich mit im Steinbruch (querry) arbeiten. Ich ging mit hin und wurde eingestellt. Noch gab es Eis und Schnee und es wurde mancher Tag nur etliche Stunden gearbeitet. Lohn war 15 Cent die Stunde, die gelernten Steinbrecher, meist Bayern und Badenser, nur einige Irländer dazwischen, erhielten 20 Cent die Stunde, in der Sommersaison wenn der Steinversand losging, gab es 5-10 Cent mehr, es waren zur Zeit etwa 50 Mann beschäftigt, und Steine wurden auf Vorrath gebrochen, ein braungrauer Fels, die kleineren Stücke als Bausteine, die Größeren bis zu zwei Tonnen Gewicht an die Steinbildhauer in New York und New Yersey versandt. Der Steinbruch war der größte am Ort und gehörte einem Mister William Joyse, welcher sonst ein humaner Arbeitgeber war. Im Sommer nahm er ein paar hundert Italiener an, welche die Bausteine zurechtschlugen. Die Hauptarbeit war, Löcher in die Felsen zu drillen und zu sprengen, worauf die Stücke durch Krähne aus der Grube heraufgewunden und durch Ochsengespann nach einem Lagerplatz nahe am Passaic-River geschleift wurden, klar zum Versand. Ende April war der Fluß eisfrei und ich trat meine Arbeit als Führer des Schleppkahns an. Derselbe war ein kleiner Schoner von 50 Tonnen, ohne Takelage, die Ladung kam auf Deck zu liegen, geschleppt wurde das Fahrzeug von einem Schleppdampfer, welcher aber nicht dem Steinbruchbesitzer gehörte und bei jeder Tour requiriert wurde. Eine kleine Kajüte hinten im Schoner, war mit Koje, Ofen und Tisch nebst Bank versehen. Dieses war jetzt meine Wohnung, Feuerungsmaterial und Kartoffel bekam ich geliefert, alles andere zur Beköstigung mußte ich mir selbst kaufen und kochen. Ich war den ganzen Sommer in Fahrt, brachte Steine nach New York, New Yersey, Elisabetport und nach einem Brückenbau im Häckensäck River.(gemeint ist der Hackensack River , persönl. Anm.) An dem Tage als die Brooklyn Brücke eingeweiht wurde, lag ich in New Jersey und habe das Schauspiel gesehen. Ich war ziemlich mein eigner Herr und Alles ging gut von Statten. Ich hatte 50 Dollar den Monat, und sparte mir etwas Geld. Jede Tour, die ich geschleppt wurde vom Steinbruch bis irgend einen Bestimmungsort, dauerte 7-8 Stunden und war ich immer allein an Bord, die meisten
Touren mußte ich mit Bausteinen 1 Mtr. Quadrat und 30 Ctmtr. dick, nach New York, wo in Wallstreet, ein neun und zwölf stöckiges Haus massiv gebaut wurde, die ersten beiden Stockwerke von diesen Steinen. Die Wolkenkratzer aus Eisen gab es damals noch nicht. Anfang September wurde die Arbeit flau und allerlei Leute wurden entlassen und mancher mußte sein im Sommer erspartes wieder zusetzen, ehe er wieder Arbeit bekam, denn gegen den Winter zogen sich alle Saison-Arbeiter nach den größeren Städten und boten sich für billigen Lohn, sogar für nur Kost und Logis an, im Frühjahr wieder in Saison Arbeit zu gehen, es ist in Amerika auch nicht alles Gold was glänzt, nur wenige haben Glück und die Masse muß schwer arbeiten.

5. Freund Ferdinand in Clifton

Auch ich hatte keine Lust mehr, an Land zu bleiben, ich sehnte mich wieder nach der See. Ehe ich abreiste, besuchte ich Freund Ferdinand in Clifton. Dieser wollte mich bereden, daß ich wieder bei ihm kommen sollte, die Madame hätte schon oft gesagt, so fette Milch, als in der Zeit wo ich da gewesen bin, hätte sie noch niemals gehabt, sie würde mir 16 Dollar den Monat geben, wenn sie mich wieder bekäme. Da habe ich Ferdinand laut ins Gesicht gelacht und ihm erzählt, daß ich ihm Maisschrot geklaut hätte, denn ich trank auch gerne ein gutes Glas Milch, zur Antwort gab er mir: das wollte er sich hinter die Ohren schreiben. Als ich ihm sagte, daß ich wieder auf See fahren wollte und aus der Sache nichts würde, war es ihm und seiner Frau doch nicht recht, aber wir schieden als Freunde. Anfang Septbr.1883 hörte ich im Steinbruch auf und fuhr anderen Tages nach New York.

6.Die Rotterdam läuft auf eine Sandbank auf

Am 14. Septbr.1883 verließen wir New York nach Holland. Das Wetter war günstig und in der Nacht vom 25. zum 26. Septbr. passierten wir Dover im Kanal, ohne jedoch wie üblich hier einen Lotsen für Rotterdam an Bord zu nehmen. Unser Kaptän wollte sich nämlich nicht erst aufhalten, da er nach seiner Berechnung gerade noch mit Hochwasser Rotterdam noch erreichen konnte. Am 26. Septbr. Morgens bekamen wir dickes, nasses Wetter, so daß wir von Land, dem wir ziemlich nahe sein mußten nichts sahen. Der Kaptän, welcher ja schon oft die Tour gefahren hatte,glaubte auf dem richtigen Kurs zu sein und ließ die Maschine Volldampf laufen, auch hatte die Fluth eingesetzt. Die Mannschaft machte das Löschgeschirr in Ordnung und Passagiere packten ihre Koffer und Kisten. Gegen 10 Uhr Vormittags ließ der feine Regen nach, aber von Land noch nichts zu sehen. Es hatte eben vier Glasen geschlagen, als unser Dampfer plötzlich durch einen Ruck erschütterte und still stand. Die Maschine schlug rückwärts, jedoch das Schiff bewegte sich nicht, es saß gut fest auf einer Sandbank und bei Hochwasser. Für den Augenblick wußte niemand, wo wir saßen, jedoch in der zwölften Stunde klarte das Wetter auf, die Sonne schien und nun wußten wir, daß wir auf der Sandbank "Seehundsplate" genannt, festsaßen und zwar wie uns Leute vom dortigen Rettungsboot erzählten, eine der schlechtesten Stellen an der holländischen Küste.

Die Rettung

Die Sandbänke daselbst bestehen aus lebenden, fortwährenden sich bewegendem Sand, auch Quicksand genannt, und können bei schwerem Sturm ein größeres Schiff in 24 Stunden unter mahlen. Bei Ebbe saßen wir wie in einer Mulde vollständig trocken, als wieder Fluth war konnten größere Schlepper nicht an uns heran, so waren wir von Sandbänken umgeben. Fischerboote kamen heran und brachten die Passagiere gegen hohen Lohn an Land nach einem Küstenplatze Ziericksee genannt. Da das Wetter günstig war, blieb die Besatzung an Bord. Was wir aber nicht begreifen konnten war da die Gesellschaft doch um das Schiff Bescheid wußte, man nicht Leute und Leichter schickte, um das Schiff durch Löschen der Ladung zu erleichtern. Das, was gethan wurde war tatsächlich nur pro forma, so daß man mutlos werden konnte. Jeden Tag kam das Rettungsboot längsseits und frug den Kaptän, wie er dächte, da aber immer noch schönes Wetter war, blieb Alles an Bord, unsere Boote hatten wir aber für den Nothfall zu Wasser gebracht. Wenn die Ebbe eintrat und die Fluth begann, setzte das Schiff schwer auf so daß man meinte, es würde auseinander brechen. Am zweiten Tage baten wir den Kaptän, er möchte es zugeben, das eines der Fischerboote unsere Sachen mit an Land nehme, was er aber nicht zugab. Am dritten Tage kam es

zum Konflikt, ein Fischerboot hatte von uns Ladung eingenommen und da wurden wir gewahr, daß Kaptän und Offiziere ihre Koffer mitgeben wollten. Wir stellten den Kaptän zur Rede, holten unsere gepackten Sachen und gingen mit 22 Mann, ohne weiter auf den Protest des Kaptäns zu hören, mit dem Fischerboot nach Ziericksee. Wir sagten uns, da die Gesellschaft keine wirksamere Hilfe schickte, um wenn möglich das Schiff zu retten, wir auch nicht die Verpflichtung hätten, an Bord zu bleiben. Am nächsten Tage, als am 30. Septbr. kam aber der Rest der Besatzung nebst Kaptän und Offiziere ebenfalls an Land und wurden Alle zusammen am 1. Oktbr. nach Rotterdam überführt. Da das Wetter günstig blieb, ist die Ladung in Zeit von zwei Wochen noch geborgen worden, jedoch beim Abschleppen brach die Maschine durch, durch das viele aufstoßen hatte sich das Schiff den Boden durch gestoßen und blieb dort liegen.


Bei der Seegerichtsverhandlung, beantragte die Gesellschaft, das uns, die wir eher von Bord gegangen waren, kein Lohn bezahlt werden sollte, kam aber damit nicht durch, hauptsächlicher Grund, da es möglich gewesen war, unsere Sachen an Land zu geben. Die Gesellschaft setzte uns aber auf die schwarze Liste. Ich logierte nun wieder im Seemannshause in Rotterdam.

7. Die Belohnung für die Rettung der 9 norwegischen Seleuten

Bei den Heuerbaasen herum laufen, hätte ich sofort Gelegenheit gehabt ein Schiff zu bekommen, aber das Schicksal wollte es anders als ich mir vorgenommen hatte. Im Laufe des Tages fiel mir nämlich ein, du könntest mal nach der holländischen Pier gehen und zu sehen, was da wohl für ein Dampfer liegt und ob vielleicht Bekannte an Bord seien. Ich ließ mich nach New Jersey übersetzen und ging nach der Pier, wer lag da, die alte "Rotterdam". Es gab ein Halloh, als ich allerlei Bekannte, besonders den Bootsmann und die Quartiermeister von früher her antraf. Es gab da allerlei zu erzählen und da wurde mir auch kund gethan daß in Rotterdam beim norwegischen Konsul eine silberne Uhr, ein Geschenk vom norwegischen und schwedischen Könige liege, als Belohnung für die Rettung der Brigg-Mannschaft im Herbst 1882. Die anderen vier Matrosen hätten dieselbe erhalten; da ich die Uhr nicht fahren lassen wollte und der Bootsmann mir sagte, es wären ein paar Matrosen weggelaufen, so sollte ich man mitkommen. Da der Kaptän noch der alte war, frug ich denselben, und da er mich kannte, nahm er mich sofort an. Ich holte meine Sachen und trat meinen Dienst an. Am 14. Septbr. verließen wir New York nach Holland.

 

Im Oktober 1883 in Rotterdam

Ich logierte nun wieder im Seemannshause. Das erste war, daß ich mich zum norwegischen Konsul begab, mich legitimierte und wegen der Uhr frug. Es wurde mir gesagt, daß, da ich nicht auffindbar war, die Uhr wieder zurückgegangen sei, es würde daher einige Zeit dauern, ehe dieselbe wieder hier sei, bekommen täth ich dieselbe auf alle Fälle. Ich bat den Konsul, die Uhr, wenn sie ankäme, zu behalten, ich würde auf eine kurze Reise heuern, womit er einverstanden war.

 

18. Januar 1884

Die Taschenuhr war bei dem schwedischen norwegischen Konsul angekommen und wurde mir ausgehändigt. Es ist eine silberne Uhr, im Deckel ist eingraviert: Oskar, Norges ok schweriges Konge, til K. H. P. Roesler. For kjäk ok adel daad. Darüber die Krone. Anstatt den Vornamen Paul, hatte man aus Versehen den Namen Karl graviert, meine Vornamen sind Karl Heinrich Paul.


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